Hauptinhalt
Hintergrund
Die Peritonealdialyse ist neben der Hämodialyse eine der extrarenalen Blutreinigungsmethoden (Nierenersatzverfahren), die Patientinnen und Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz angeboten wird. Bei dieser Technik findet ein Konzentrationsgradienten-gesteuerter Stoffaustausch über eine semipermeable Membran – in diesem Falle das Peritoneum – statt, um harnpflichtige Substanzen zu eliminieren. Trotz der Vorteile der Peritonealdialyse, darunter die längere Erhaltung der residuellen Nierenfunktion, die Patientenautonomie und die geringeren Kosten, wird diese Form der Nierenersatztherapie in der Schweiz bei weniger als 10% der Personen mit terminaler Niereninsuffizienz angewendet [1]. Gleichwohl sollte diese sichere und effiziente Methode diskutiert und allen dafür in Betracht kommenden Patientinnen und Patienten in gleicher Weise wie die Hämodialyse angeboten werden [1, 2]. Die meistgefürchtete Komplikation der Peritonealdialyse ist die infektiöse Peritonitis – die Kenntnis der Prinzipien ihrer Diagnostik und Therapie ist wichtig, um die Unversehrtheit der Peritonealmembran so lange wie möglich zu erhalten und den Schritt zur Hämodialyse zu vermieden.
Fallbericht
Anamnese
Ein 80-jähriger Patient stellt sich mit über sieben Tage entwickelten diffusen abdominellen Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und einem Status subfebrilis auf dem Notfall vor. Ein paroxysmales Vorhofflimmern, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung bei Status nach Nikotinabusus und eine chronische terminale Niereninsuffizienz unklaren Ursprungs sind vorbekannt. Seit neun Monaten erhält der Patient eine Peritonealdialyse.
Status und Zusatzuntersuchungen
Pathologisch veränderte Vitalparameter mit einer Tachykardie von 105 Schlägen/ min und 38,4 °C Fieber. Bei der abdominellen Palpation fällt eine generalisierte Abwehrspannung auf. Sonstige körperliche Untersuchung ohne Besonderheiten. Im Labor zeigt sich ein Entzündungssyndrom (Leukozyten 14 G/l, CRP 399 mg/l).
Diagnostik
Aufgrund der Klinik (abdominelle Schmerzen und Status febrilis) besteht der Verdacht auf eine Peritonitis im Zusammenhang mit der Peritonealdialyse. Bestätigt wird dieser durch die Entnahme intraperitonealer Flüssigkeit, die eitrig imponiert und in der zytologischen Untersuchung eine Leukozytose von 3,9 G/l aufweist, davon 93% polymorphkernige Leukozyten (Tab. 1).
Tabelle 1: Diagnostische Kriterien bei Peritonitis unter Peritonealdialyse, 2 von 3 müssen zutreffen (nach [3]). |
Klinik kompatibel (abdominelle Schmerzen, trübes peritoneales Dialysat, Übelkeit und Erbrechen, Fieber) |
Leukozytenkonzentration in der Dialyseflüssigkeit >100 Zellen/µl oder bei >50% polymorphkernigen Leukozyten in der Zelldifferenzierung |
Bakterielle Kultur der Dialyseflüssigkeit positiv |
Die direkte Untersuchung der peritonealen Flüssigkeit zeigt grampositive Bakterien (Abb. 1), die in der Ziehl-Neelsen-Färbung als säurefeste Bakterien identifiziert werden (Abb. 2).
Die Blutkulturen und Kulturen der intraperitonealen Flüssigkeit werden vier Tage nach Inkubation positiv für Mycobacterium fortuitum.
Behandlung und Verlauf
Aufgrund der mikrobiologischen Resultate wird eine empirische antibiotische Triple-Therapie mit Amikacin, Imipenem und Levofloxacin eingeleitet. Nach Erhalt des phänotypischen Antibiogramms wird die Antibiose angepasst, Levofloxacin und Imipenem werden durch Ciprofloxacin und Meropenem ersetzt, jeweils aufgrund der geringeren minimalen Hemmkonzentrationen der beiden letzteren. Der Peritonealkatheter wird gezogen und eine Hämodialyse begonnen.
Die Klinik verbessert sich laufend, die abdominellen Schmerzen verschwinden und die Blutkulturen werden steril. Nach zwei Monaten kann die antibiotische Triple-Therapie mit Absetzen von Amikacin als Zweifachtherapie mit Ciprofloxacin und Meropenem für sechs weitere Monate fortgeführt werden.
Diskussion
Die Peritonitis ist die am meisten gefürchtete Komplikation bei Patientinnen und Patienten mit einer Peritonealdialyse. In der Mehrheit der Fälle wird sie durch eine Kontamination des Dialysats durch Hautkeime verursacht. Seltener tritt die Infektion sekundär durch einen enteralen Keim auf (intestinale Translokation, Divertikulitis, Appendizitis, Perforation der intestinalen Mukosa, etc.). Seit mehreren Jahren stellen wir einen deutlichen Rückgang der Häufigkeit von Peritonitiden unter Dialyse fest, was an der Verbesserung der präventiven Massnahmen liegt (Optimierung der Vorrichtungen, der Verbindungssysteme, der Sterilisationstechniken und prophylaktischen Massnahmen wie antibiotische Prophylaxe, zum Beispiel in Situationen, in denen die Keimfreiheit nicht gewährleistet ist) [3]. Im Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV) wird fortlaufend ein Register aller Fälle mit Peritonealdialyse-assoziierten Peritonitiden erstellt, das einerseits als Monitoring der Inzidenz und Mortalität bei Infektionsepisoden dient, andererseits mit der Zeit die Anpassung der Behandlungsleitlinien für diese Patientinnen und Patienten ermöglicht. Innerhalb dieser Lausanner Patientenkohorte mit Peritonealdialyse liegt die Inzidenz der Peritonitis (ausgedrückt in Episode pro Monat × Patienten) bei einer Episode alle 25 Monate × Patienten [4]. Seit 1995 bis heute wurden 208 Episoden registriert (unpublizierte Daten). Die Mehrheit der Infektionen wurde hierbei durch grampositive Bakterien verursacht (52%), und zwar Staphylococcus epidermidis (20,2%), Staphylococcus aureus (17,8%) und Streptococcus spp. (9,2%). Bei den Infektionen mit gramnegativen Bakterien (21,2%) handelte es ich vor allem um Enterobakterien (etwa 13%) und Pseudomonas aeruginosa (2,5%). Pilzinfektionen sind selten (1,9%) und über Infektionen mit Mykobakterien wurde nur in Ausnahmefällen berichtet [4]. Auf dieser Basis muss die empirische Antibiose die grampositiven Bakterien (zum Beispiel durch Vancomycin) und ebenso die gramnegativen Bakterien (durch ein Cephalosporin der 3. Generation, zum Beispiel Ceftazidim, oder ein Aminoglykosid) abdecken [3, 5, 6]. Wenn keine Anzeichen für eine Sepsis vorliegen, dann wird die Therapie intraperitoneal appliziert, um höhere Konzentrationen im Bereich des Infektionsherdes zu erreichen. Die antibiotische Behandlung muss an die mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse angepasst werden. Abbildung 3 fasst den Behandlungsalgorithmus einer Peritonitis unter Peritonealdialyse zusammen und Tabelle 2 die am häufigsten eingesetzten Antibiotika. Unter bestimmten Umständen ist die Ziehung des Katheters indiziert (Tab. 3).
Tabelle 2: Am häufigsten eingesetzte Antibiotika zur Behandlung der Peritonitis unter Peritonealdialyse (nach [3] und [6]). | |||
Antibiotikum | Intraperitoneale Therapiea | Systemische Therapie | |
Behandlung abgebrochen (ein Wechsel pro Tag) | Behandlung fortgesetzt (bei jedem Wechsel mg/l) | ||
Aminoglykosideb | |||
Amikacin | 2 mg/kg | Aufsättigungsdosis 25, Erhaltungsdosis 12 | 15 mg/kg 2–3 h vor Dialyse |
Gentamycin | 0,6 mg/kg | Aufsättigungsdosis 8, Erhaltungsdosis 4 | 5 mg/kg 2–3 h vor Dialyse |
Tobramycin | 0,6 mg/kg | Aufsättigungsdosis 3 mg/kg, Erhaltungsdosis 0,3 mg/kg | 5 mg/kg 2–3 h vor Dialyse |
Cephalosporine | |||
Cefazolin | 15–20 mg/kg | Aufsättigungsdosis 500, Erhaltungsdosis 125 | 1000 mg/24 h + extra 500 mg nach Dialyse |
Ceftazidim | 1000–1500 mg | Aufsättigungsdosis 500, Erhaltungsdosis 125 | 2000 mg/48 h + extra 1000 mg nach Dialyse |
Cefepim | 1000 mg | Aufsättigungsdosis 250–500, Erhaltungsdosis 100–125 | 1000 mg/24 h + extra 1000 mg nach Dialyse |
Ceftriaxon | 1000 mg | Keine Daten vorhanden | 1000 mg/12 h |
Andere Antibiotika | |||
Vancomycinc | 15–30 mg/kg alle 4–5 Tage | Aufsättigungsdosis 30 mg/kg, Erhaltungsdosis 1,5 mg/kg/Beutel | 500 mg/48 h Dosis nach Dialyse |
Aztreonam | 2000 mg | Aufsättigungsdosis 1000, Erhaltungsdosis 250 | 1000 mg/12 h |
Meropenem | 1000 mg | Keine Daten vorhanden | 500 mg/12 h Dosis nach Dialyse |
Ciprofloxacin | Keine Daten vorhanden | Erhaltungsdosis 50 | 250 mg/12 h p.o. |
a Intraperitoneal wirkende Medikamente im 2-l-Beutel, Verweildauer intraperitoneal 6 Stunden. b Obligates Monitoring des residuellen Serumspiegels vor Gabe der Folgedosis. Verabreichung nur, wenn <1,5 mg/l für Amikacin und <0,5 mg/l für Gentamicin/Tobramycin. c Monitoring des Residualspiegels nach 48–72 Stunden. Zielwert: 15–20 mg/l. h: Stunde(n); p.o.: per os. |
Tabelle 3: Indikationen für die Entfernung des Dialysekatheters bei Peritonitis unter Peritonealdialyse (nach [3]). |
Refraktäre Peritonitis unter Peritonealdialyse – Intraperitoneale Flüssigkeit nach 5 Tagen wirksamer Antibiotikatherapie nicht steril – Persistenz der Infektionszeichen an der kutanen Eintrittsstelle des Katheters nach 5 Tagen wirksamer Antibiotikatherapie – Tunnelinfektion verbunden mit der Peritonitis |
Frühzeitiges Rezidiv der Peritonitis unter Peritonealdialyse Erneute Infektion mit demselben Keim, nachgewiesen innerhalb der vier Wochen nach Beendigung der antibiotischen Therapie |
Péritonite associée à une pathologie intra-abdominale (intraabdominaler Abszess, intestinale Perforation, etc.) |
Mykobakterielle Peritonitis |
Pilz-Peritonitis |
Peritonitis mit Pseudomonas aeruginosa |
Mycobacterium fortuitum ist Teil der Gattung Mycobacterium (säurefest in der Ziehl-Neelsen-Färbung) und ist das nichttuberkulöse Mykobakterium, das am häufigsten zu infektiösen Peritonitiden bei Patientinnen und Patienten mit Peritonealdialyse führt [7]. Es handelt sich um ein Mykobakterium, das als schnell wachsend bezeichnet wird, weil es die Fähigkeit besitzt, in weniger als sieben Tagen auf Agarmedien sichtbare Kolonien zu bilden [8]. Die nichttuberkulösen Mykobakterien sind opportunistische Erreger und finden sich ubiquitär in der Natur (Wasser, Staub, Boden). Diese Mikroorganismen sind verantwortlich für Lungeninfektionen, insbesondere bei Immunsupprimierten, Haut- und Fremdkörperinfektionen [9]. Mycobacterium fortuitum haftet leicht an Fremdkörpern an dank Bildung eines Biofilms, der hauptsächlich aus Glykopeptolipiden und Mykolsäuren besteht («fettiger» Biofilm). Die Fähigkeit der Mykobakterien zur Bildung von Biofilmen erklärt nicht nur ihre Rolle in der Pathogenese von Fremdkörperinfektionen, sondern auch die Eradikationsschwierigkeiten bei der antibiotischen Behandlung und die Notwendigkeit, das Material zu entfernen [8]. Eine weitere gemeinsame Charakteristik aller schnell wachsenden nichttuberkulösen Mykobakterien ist ihre Resistenz gegenüber den antituberkulösen Therapeutika der ersten Wahl. Im Hinblick auf die grosse Bandbreite der Sensibilitätsprofile der einzelnen Spezies hinsichtlich antibiotischer Therapie ist die Speziesdiagnose ausschlaggebend für die empirische Einleitung einer Antibiose (Abb. 4) [8].
Die Entwicklung neuer diagnostischer Methoden in der Molekularbiologie führte zu einer schnelleren und präziseren Identifikation sowie Beschreibung einer Vielzahl neuer Spezies. Aufgrund der oben genannten Gründe und zur Verhinderung von Resistenzentwicklungen wird oft eine Kombination verschiedener Antibiotikumsklassen eingesetzt, um eine Behandlung mit mindestens zwei aktiven Wirkstoffen zu erhalten. Bezogen auf Mycobacterium fortuitum, so spricht dieser Keim gewöhnlich auf Amikacin, Fluoroquinolone, Carbapenem und Makrolide (Clarithromycin) an. Die empirische Behandlung für diese Spezies sollte also drei der oben genannten Antibiotika umfassen. Nach Erhalt des Antibiogramms kann die Behandlung auf eine Zweifachtherapie reduziert werden, die Dauer der Behandlung hängt hierbei vom infizierten Organ ab (in jedem Fall jedoch für eine Dauer von minimal vier bis sechs Monaten) [8, 10]. Im Falle einer Infektion prothetischen Materials muss dieses zusätzlich zur Antibiose entfernt werden. Die Analyse von 17 Fällen von Peritonealdialyse-assoziierter Peritonitis durch Mycobacterium fortuitum durch Jiang et al. beschreibt, dass die Mehrzahl der Infektionen mit einer Zweifachtherapie mit Amikacin und Ciprofloxacin über eine Dauer von ein bis zehn Monaten behandelt wurden, gepaart mit der Entfernung des Dialysekatheters [11]. In dieser Serie war ein Todesfall aufgetreten. Alle Erkrankten wurden im Rahmen der Behandlung der Hämodialyse zugeführt. In einer Serie mit 20 Fällen konnten Hamade et al. zeigen, dass die Hälfte der Fälle erfolgreich mittels Zweifach- oder Triple-Therapie mit in erster Linie Aminoglykosiden, Clarithromycin und Doxycyclin für eine Dauer von einem bis sechs Monaten behandelt wurden [7]. Der Katheter war bei allen Patientinnen und Patienten gezogen worden.
Zusammenfassend ist eine Peritonitis durch Mycobacterium fortuitum unter Peritonealdialyse ein sehr seltenes und potentiell tödliches Ereignis, das einer komplexen Therapie (mehrere Antibiotika über längere Zeit) bedarf, die nach multidisziplinärem Konsil (Infektiologie, Mikrobiologie und Nephrologie) eingeleitet wird.
Das Wichtigste für die Praxis
• Die Peritonealdialyse ist eine wirksame und sichere Technik, die den Patientinnen/Patienten verglichen mit der Hämodialyse mehr Autonomie bei der Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz ermmöglicht.
• Die Peritonitis ist eine mögliche Komplikation der Peritonealdialyse (<1 Episode / 2 Jahre pro Patientin bzw. Patient).
• Schnell wachsende Mykobakterien sind sehr selten Verursacher von Peritonitiden unter Peritonealdialyse und bedürfen eines multidisziplinären Behandlungsansatzes.
• Die Fähigkeit der Mykobakterien zur Biofilmbildung zwingt uns dazu, alle infizierten Fremdkörper zu entfernen und eine komplexe antimikrobielle Therapie einzusetzen (mehrere Antibiotika über mehrere Monate).
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Michele Bedulli, dipl. Arzt
Ospedale regionale di Lugano – sede Civico
Via Tesserete 46
CH-6900 Lugano
michele.bedulli[at]eoc.ch
Published under the copyright license
“Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”.
No commercial reuse without permission.