Kurz und bündig
Journal Club

Kurz und bündig

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Ausgabe
2021/1516
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08783
Swiss Med Forum. 2021;21(1516):241-244

Publiziert am 13.04.2021

Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.

Fokus auf ... Chronischem Husten bei normalem ­Lungenröntgenbild

– 1× Husten alle 3 Stunden ist normal!
– Fakten zum chronischen Husten bei normalem Lungenbild:
• Prädilektion für Frauen zwischen 50 und 70 Jahren;
• wichtigste Ursachen: Asthma, Nasenpathologien, gastrooesophagealer Reflux, eosinophile Bronchitis.
– Refraktärer, chronischer Husten ist definiert als Therapierefraktion gegenüber diesen Ursachen.
– Oft bis zu 20× Husten pro Stunde!
– Zwei Auslösegruppen:
• mechanisch ausgelöst: Lachen, Sprechen, Schreien;
• Umwelt-Trigger: Kälte, Feuchtigkeit, Rauchpartikel.
– Der Leidensdruck ist sehr unterschiedlich, weil die Fähigkeit, Husten zu unterdrücken, individuell enorm variiert.
– Prävention/Therapie also: Lächeln statt Lachen, harmonisch sprechen, weder aktiv noch passiv rauchen, Feinstaubbelastung reduzieren, Umweltauslöser nach Möglichkeit meiden.
Lancet Respir Med. 2021, doi.org/10.1016/S2213-2600(21)00130-2.
Verfasst am 10.03.2021.

Praxisrelevant

Impfverlauf bei seropositiven Individuen (nach durchgemachter COVID-19)

In dieser kleinen, aber wichtigen Studie wurde die Anti-SARS-CoV-2-Antikörperantwort auf die erste Impfdosis der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe untersucht. 67 seronegative wurden mit 43 seropositiven (Post-COVID-19-)Individuen verglichen. Das mittlere ­Alter betrug 40 Jahre, 8% waren über 60 Jahre alt. Die seropositiven Individuen entwickelten innerhalb einer Woche nach einer Dosis mRNA höhere Titer, und zwar 4–5 Tage früher als die seronegativen Kon­trollen. Die Impfreaktionen waren ebenfalls ausgeprägter, vor allem Schmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Frösteln sowie Fieber.
Im Hinblick auf ein sogenanntes Antikörper-Stimulationssyndrom ist beruhigend, dass in dieser kleinen Gruppe Seropositiver keine schweren Reaktionen beobachtet wurden. Die Frage stellt sich, ob bei Seropositivität eine einzige Impfung genügt, was die Impfkampagne mitbeschleunigen hälfe. Studien solcher Art sind auch für die Strategie der zukünftigen Revakzinierungen wichtig.
N Engl J Med. 2021, doi.org/10.1056/NEJMc2101667.
Verfasst am 15.03.2021.

Antibiotikatherapie bei kindlichen Pneumonien

Ausserhalb des Spitals erworbene Pneumonien kommen häufig bei Kindern vor. Die optimale Therapie­dauer ist aber unbekannt, obwohl meist zehn Tage lang behandelt wird.
281 Kinder (6 Monate bis 10 Jahre alt), die aufgrund des Schweregrades der Pneumonie zuhause gepflegt wurden, erhielten prospektiv, plazebokontrolliert 1:1 entweder eine 10- (Kontrollgruppe) oder 5-tägige (Interventionsgruppe) Therapie. Nach 2–3 Wochen waren die Heilungsraten gleich (etwa 85%). Die Intervention bestand in oraler Gabe von sogenannt hochdosiertem Amoxicillin (80–90 mg/kg Körpergewicht aufgeteilt in 2 Dosen pro Tag).
Die aktuelle Studie ist kompatibel mit kleineren Vorläuferstudien, sodass bei der kindlichen unkomplizierten, ambulant erworbenen Pneumonie eine kürzere Therapiedauer von 5 Tagen wohl Standard sein kann.
Verfasst am 11.03.2021.

Screening auf Lungenkarzinome

Eine systematische Review kommt zum Schluss, dass bei Hochrisikopatientinnen und -patienten (Rauchende oder Ex-Raucher/innen mit ≥20 Packyears) ein jährliches Screening (mindestens 3–4 Untersuchungen) mit niedrigdosierter Computertomographie die krebsassoziierte Mortalität signifikant zu senken vermochte («number needed to screen» [NNS], über 6,5 Jahre = 330, nach 10 Jahren = 130). Die «number needed to harm» [NNH] betrug etwa 60 (vorwiegend unnötige Diagnostik bei falsch positiven Befunden, wobei die Morbidität dieser eher tief war) [1].
Eine mathematische Modellierung, die kurz und ­bündig nicht gerne als Ersatz für die experimentelle Evidenz gesehen wird, kommt zum Schluss, dass das jährliche Screening in dieser Population sowohl die Mortalität senkt als auch die qualitativ akzeptablen Lebensjahre erhöht [2].
Computertomogramm einer 60-jährigen Raucherin (Axialschnitt, Lungenfenster): Beispiel eines schlecht differenzierten Plattenepithelkarzinoms des rechten Lungen-Unterlappens mit Darstellung einer kavitierenden, bis zum Hilum reichenden Masse (Case courtesy of Dr Henry Knipe, Radiopaedia.org, rID: 48047; https://radiopaedia.org from the case https://radiopaedia.org/cases/48047 , licensed under CC BY-NC-SA 3.0).
Die Screening-Empfehlungen wurden postwendend verschärft: Jährliches Screening von 55- bis 80-Jährigen mit >20 Packyears, die aktiv rauchen oder erst innerhalb der letzten 15 Jahre abstinent geworden sind. Haben (Ex-)Raucher/innen unter dem Screening 15 Jahre Ab­stinenz erreicht, soll dieses sistiert werden [3].
Trotz dieser Befunde und Empfehlungen: Die Prävention des Rauchens und anhaltend intensive Versuche, den Betroffenen zur Abstinenz zu verhelfen, bleiben trotzdem zentral und sinnvoll.
Verfasst am 10.03.2021.

Zunahme der Schilddrüsenkarzinome?

In den Jahren zwischen 1998 und 2012 haben die Schilddrüsenkarzinome signifikant in allen global verteilt ausgesuchten Ländern zugenommen, wobei zum Beispiel in westlichen Ländern keine weitere Zunahme nach 2009 mehr festgestellt wurde. Gemäss dieser ­Untersuchung treten in der Schweiz aktuell 16,8 Schilddrüsenkarzinome pro 100 000 Personen und Jahr auf, allein 14 auf 100 000 Personenjahre davon sind papilläre Schilddrüsenkarzinome.
Die jetzt beschriebene Zunahme der Schilddrüsenkarzinome beruht in allen Ländern auf einem alleinigen und isolierten Anstieg der papillären Karzinome. Da diese Karzinome meist subklinisch auftreten und eine detaillierte bildgebende Diagnostik erfordern, ist sehr wahrscheinlich, dass die Zunahme durch verbessertes Screening und detailliertere Diagnostik, und nicht durch bislang unterschätzte oder neue onkogen relevante Mechanismen bedingt ist.
Die aktuelle Plateau-Phase spricht auch dafür, dass der «Nachholbedarf» an unentdeckten papillären Karzinomen wohl gedeckt ist. Dynamisch gesprochen sind wir jetzt wohl in einer neuen Steady-State-Phase, in der die Zahl der neu dia­gnostizierten der Anzahl neu entstandener Karzinome entsprechen dürfte.
Lancet Diabetes Endocrinol. 2021, doi.org/10.1016/ S2213-8587(21)00027-9.
Verfasst am 14.03.2021.

Neues aus der Biologie

Anti-Amyloid-Beta-IgG: schwierige Beweislage

Die Akkumulation von Amyloid-Beta-Plaques ist ein Prozess, der früh im Verlauf des Morbus Alzheimer beginnt und von dem angenommen wird (basierend auf der Beobachtung bei genetischen Amloidvarianten, die zu mehr oder auch weniger Plaques-Bildung führen), dass er den neurodegenerativen Prozess beschleunigt. Gegenwärtig geht man davon aus, dass die Amyloid-Beta-Plaques die sogenannte Tau-Pathologie induzieren. Komplexe Interaktionen zwischen Amyloid und Tau führen nach diesem Modell zur Neurodegeneration, unter anderem auch histologisch charakterisiert durch die neurofibrillären Bündel (phosphorylierte Tau-Proteine).
Insofern erstaunt es den neurologischen Laien nicht, dass ein isoliert gegen ein Epitop des Amyloid-Beta gerichteter IgG1-Antikörper (Donanemab) bei Frühformen des Morbus Alzheimer die Progression eher marginal verlangsamt. In einer plazebokontrollierten Studie (n = 131 in der Antikörper-, n = 126 in der Plazebogruppe) verbesserte sich nach 76 Wochen ein klinischer Score («integrated Alzheimer Disease Rating Scale» [iADRS]) in beiden Gruppen, etwas mehr aber unter dem Antikörper (p = 0,04). Ebenfalls fand man (unter den sekundären Endpunkten) eine leichte Reduktion der Plaque- und Tau-Menge (PET-CT).
Aufgrund dieser Resultate wird der Enthusiasmus für diese Therapieoption etwas gedämpft. Man muss sich also auf die Resultate grösserer und längerer Studien gedulden.
N Engl J Med. 2021, doi.org/10.1056/NEJMoa2100708.
Verfasst am 15.03.2021.

Immer noch lesenswert

Alte Tugenden des ärztlichen Berufes

Bernard Lown, Friedensnobelpreisträger dank seines Einstehens gegen Atomwaffen und hochspezialisierter Kardiologe (Rhythmologe), ist Mitte Februar im Alter von knapp 100 Jahren verstorben. Unvergessen die Passage aus einem seiner Bücher, in dem er schildert, wie er seinen an einem unheilbaren Magenkarzinom leidenden Lehrer täglich auf der Visite körperlich untersuchte. Als das Stadium der Krebserkrankung stark fortgeschritten war, verzichtete Lown einmal auf dieses tägliche Ritual. Sein Lehrer und Patient (Emanuel Goldberger, siehe «EKG-Ableitungen») rief ihn aber beim Verlassen des Zimmers zu sich zurück: «Du hast vergessen, mich körperlich zu untersuchen!»
Die körperliche Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt zur Durchbrechung der Isolation und Vereinsamung bei schwerer Krankheit und vielleicht auch als Wertschätzung, dass auch ein mitgenommener Körper es – seelisch ­sozusagen – verdient, berührt und ärztlich ernst genommen zu werden.
Die körperliche Untersuchung kann Patientinnen und Patienten auch helfen, sich ­ernstgenommen und weniger isoliert zu ­fühlen, besonders bei schwerer Krankheit (© Olena Yakobchuk | Dreamstime.com ).
Bernard Lown, «Die verlorene Kunst des Heilens. Anleitung zum Umdenken» (sic!). Suhrkamp, ISBN 978-3-518-45574.
Verfasst am 14.03.2021.

Das hat uns nicht gefreut

Partielle Resistenz der SARS-CoV-2-Mutationen gegen die vakzininduzierte, neutralisierende humorale Immunität

Erste klinische Beobachtungen, dass die verfügbaren SARS-CoV-2-Impfstoffe auch gegen die als aggressiver geltenden neuen Virusmutanten schützen, wurden mit Beruhigung zur Kenntnis genommen. Vielleicht ist es aber zu früh, jetzt schon Entwarnung zu geben.
Die neutralisierende Wirkung der Seren von 99 Individuen, die mit einem der beiden in der Schweiz verwendeten mRNA-Impfstoffe geimpft worden waren, wurde gegen sogenannte Pseudoviren, die in der Rezeptorbindungsdomäne die aktuell am häufigsten zirku­lierenden Mutationen enthielten, geprüft. Die ver­wendeten Pseudoviren waren Lentivirus-Partikel mit verschiedenen SARS-CoV-2-Spike-(S1-)Proteinen, die Zielzellen waren für die In-vitro-Testung mit Angiotensin-Converting-Enzyme-(ACE-)2, dem S1-Rezeptor, transfektiert. Dabei zeigte sich, dass die neutralisierende Kapazität der Seren auch vollständig geimpfter Personen gegen die Mutanten (k417N/T, E484K, N501Y, namentlich auch P1- und B135.1-Varianten, brasilianisch, südafrikanisch) deutlich vermindert ausfiel. Andere neue Studien haben ebenfalls einen sogenannten «immune escape» der verschiedenen Mutanten im Bereich der Rezeptorbindung gefunden.
Wenn diese Befunde in vivo quantitativ vergleichbar sind, werden die Impfhoffnungen wohl relativiert werden oder schnell adaptierte Impfstoffe entwickelt und zugelassen werden müssen. Therapeutisch verwendete neutralisierende monoklonale Antikörper könnte das gleiche Schicksal erleiden.
Verfasst am 12.03.2021.

Auch noch aufgefallen

Plazeboeffekt bei LSD

Anscheinend hat das Phänomen der Mikrodosierung von psychotropen Substanzen zur Förderung des Wohlbefindens und Bewältigung des Alltags deutlich zugenommen. Eine Arbeitsdefinition dafür ist die repetitive Einnahme (1–3 Mal pro Woche) einer Dosis von 10–20% jener Dosis, die zu einem echten Trip führen würde (konkret für LSD typischerweise 10–15 μg pro Dosis, für Psilocybin aus Rauschpilzen 0,1–0,3 g).
Eine plazebokontrollierte (!) Studie (191 Teilnehmende) zeigt nun, dass sich die Konsumentinnen und Konsumenten Geld und potentiell legale Probleme sparen können, denn nicht unerwartet ist der Plazeboeffekt gross: Die mikrodosiert eingenommenen Drogen waren dem Plazebo in Bezug auf emotionales Gleichgewicht, Stimmungslage, perzeptierte Energie und Kreativität nicht überlegen.
Verfasst am 10.03.2021.

Warum verkalken Basalganglien beim ­Hypoparathyreoidismus?

Verkalkte Basalganglien werden oft als Zufallsbefund im Schädel-Computertomogramm gesehen und kommen idiopathisch oder familiär, das heisst genetisch bedingt, vor. Grundsätzlich ist dies eine neurodegenerative Erkrankung, die Facetten eines Parkinson, von Ataxie, Dystonien, kognitiver Einschränkung, Chorea und anderem mehr aufweisen kann (sog. Morbus Fahr).
Verkalkte Basalganglien sind häufig, etwa bei 70% des allerdings per se doch seltenen Pseudo- und «echten» Hypoparathyreoidismus. Der Mechanismus der Verkalkung ist immer noch nicht klar, wenn auch wahrscheinlich ist, dass die Hyperphosphatämie als Folge tiefer oder unwirksamer Parathormonspiegel als Auslöser eines osteogenen Genexpressionsprogrammes angesehen werden kann. Unklar bleibt auch, warum nur die Basalganglien und nicht auch die übrigen Gewebe des Zentralnervensystems verkalken und warum klinische Symptome mehr oder weniger fehlen respektive in ihrer kausalen Beziehung zu neuropsychiatrischen Symptomen des Hypoparathyreoidismus nicht geklärt sind.
Endocrinology. 2021, doi.org/10.1210/endocr/bqab024.
Verfasst am 13.03.2021.

Welche Antworten sind richtig?


Nicht-bakterielle thrombotische («marantische») Endokarditis:
A Sie macht 10,7% aller Endokarditisfälle aus.
B Die häufigsten Ursachen sind in absteigender Reihenfolge: maligne Erkrankungen, Lupus erythematodes, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom.
C Sie befällt vorwiegend die Trikuspidal- und Pulmonalklappen (Rechtsherz-Endokarditis).
D Die transösophageale Echokardiographie ist in annähernd 100% der Fälle diagnostisch (bei negativen Blutkulturen).
E Niereninfarkte sind die häufigsten thromboembolischen Komplikationen.

Antworten:


Gemäss einer 20-jährigen Beobachtung in der «Cleveland Clinic» ist die nichtbakterielle thrombotische Endokarditis selten (42 Fälle auf 700 000 Echokardiographien), somit ist Antwort A falsch, im Gegensatz zur korrekten Antwort B. Die häufigsten assoziierten Neoplasien waren übrigens der Reihe nach Lungen-, Mamma- und Pankreaskarzinome. Diese Form der Endokarditis befällt vorwiegend die Mitralklappen, in zweiter Linie die Aortenklappen: Antwort C also falsch, dafür ist Antwort D richtig. Schlaganfälle sind die häufigsten thromboembolischen Komplikationen, womit Antwort E falsch ist.
Am J Med. 2021, doi.org/10.1016/j.amjmed.2020.06.047.
Verfasst am 13.03.2021.