Fieber, Thrombozytopenie, Trans­aminasenerhöhung
Fall einer ungewöhnlichen Krankheit in der Schweiz

Fieber, Thrombozytopenie, Trans­aminasenerhöhung

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2022/2728
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.08872
Swiss Med Forum. 2022;22(2728):448-451

Affiliations
Hôpitaux Universitaires de Genève, Genève: a Service des maladies infectieuses, Département de Médecine; b Service de médecine interne générale, Département de Médecine; c Service de chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil moteur, Département de Chirurgie

Publiziert am 05.07.2022

Ein 85-jähriger Patient entwickelt imperativen Harndrang sowie eine progressive Dyspnoe ohne begleitenden Husten, aber mit Nykturie und Orthopnoe, gefolgt von hohem Fieber mit Schüttelfrost.

Fallbericht

Ein 85-jähriger Patient leidet an Vorhofflimmern (unter Antikoagulation mit Rivaroxaban), arterieller Hypertonie, nicht insulinpflichtigem Typ-2-Diabetes sowie an einer moderaten Aortenstenose und moderaten Mitralinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejek­tionsfraktion (LVEF). Vier Tage vor der Hospitalisierung entwickelt er urologische Symptome (imperativen Harndrang) sowie eine progressive Dyspnoe im Stadium IV ohne begleitenden Husten, aber mit neu aufgetretener Nykturie und Orthopnoe, 24 Stunden vor der Hospitalisierung folgt hohes Fieber mit Schüttelfrost. Der behandelnde Arzt beginnt 24 Stunden vor der Hospitalisierung eine Behandlung mit Co-Amoxicillin per os, da er aufgrund der Klinik und dem Vorhandensein von Leukozyten im Urinsediment eine Harnwegsinfektion vermutet. Bei der Aufnahme ist der Patient febril (39 °C), tachy­pnoisch mit einer Atemfrequenz von 27/min und einer Sauerstoffsättigung (SaO2) von 87% bei Raumluft, die auf die Gabe von Sauerstoff und einem Diuretikum mit einer SaO2 von 97% bei einer inspiratorischen Sauerstoff­fraktion (FiO2) von 36% anspricht, ­sowie hämodynamisch kompensiert. Die körperliche Untersuchung ergibt einen leicht beeinträchtigten Allgemeinzustand ohne Marmorierung und eine gute ­periphere Durchblutung. In kardiologischer Hinsicht findet sich auf der Notfallstation auskultatorisch ein unregelmäs­siger Herzrhythmus ohne zusätzliche Geräusche, und diskrete, eindrückbare, perimalleoläre Ödeme sind feststellbar. Die Lungenauskultation ergibt eine allgemeine Hypoventilation ohne Nebengeräusche. Die klinische abdominale, urologische (Nieren- und Prostataloge nicht schmerzhaft) und neurologische Untersuchung sind unauffällig. Laborchemisch finden sich eine moderate Thrombozytopenie (95 G/l) und leicht erhöhte Transaminasen (Alanin-Aminotransferase [ALAT] 75 U/l und Aspartat-Aminotrans­ferase [ASAT] 56 U/l). Das Urinsediment bei Eintritt ist negativ auf Leukozyten und Nitrit, das Ergebnis einer 24 Stunden zuvor ambulant angelegten Urinkultur ist ausstehend (siehe Tab. S1 im Anhang des Online-Artikels). Der Röntgen-Thorax ergibt eine Kardiomegalie mit Anzeichen einer Umverteilung der Lungenperfusion, aber ohne Pleuraerguss oder Infektionsherd. Eine FAST-Sonographie («focused assessment with sonography for trauma») in der Notfallabteilung bestätigt diese Umverteilung und zeigt beidseitig diffuse B-Linien. Die Abklärung wird durch zwei Paar Blutkulturen und eine erneute Urinkultur vervollständigt.
Der Patient wird folglich mit Verdacht auf Urosepsis hospitalisiert und die Behandlung mit Co-Amoxicillin intravenös fortgesetzt (1200 mg 4×/Tag, kombiniert mit einer Einmaldosis Amikacin zu 15 mg/kg i.v.). An Tag 2 des stationären Aufenthalts trifft das negative ­Ergebnis der vor der Hospitalisierung ambulant angelegten Urinkultur ein; zudem wird aufgrund eines neu entdeckten systolischen Herzgeräusches die Möglichkeit einer bakteriellen Endokarditis in Betracht gezogen.
Diese Hypothese gibt zunächst Anlass zur Umstellung der Antibiotikatherapie (siehe Abb. S1 im Anhang des Online-Artikels), wird aber in der Folge durch die trans­thorakale und transösophageale Echokardiographie entkräftet, die keinen Hinweis auf eine Endokarditis liefern. Zudem bleiben die seriellen Blutkulturen, die – allerdings unter Antibiotikatherapie – in den ersten sieben Tagen der Hospitalisierung täglich angelegt werden, steril. An Tag 3 besteht das Fieber weiter (40 °C) und geht mit Schüttelfrost einher. Die Laboruntersuchungen zeigen eine neue Lymphopenie (Gesamtzahl der Lymphozyten 0,2 G/l), eine Verstärkung der Thrombozytopenie (19 G/l), ein C-reaktives Protein von 329 mg/l und eine Transaminasenerhöhung (ALAT 80 U/l, ASAT 149 U/l) (siehe Tab. S1 im Anhang des Online-Artikels). Die Antibiotikatherapie wird folglich auf Piperacillin-Tazobactam 4,5 g alle sechs Stunden umgestellt, um das antibiotische Spektrum zu verbreitern.

Frage 1: Welche Möglichkeit ist zu diesem Zeitpunkt angesichts einer Thrombozytopenie und febrilen Hepatitis nicht Teil Ihrer Diagnosehypothese?


a) Akute Virushepatitis
b) Sekundär aufgrund einer septischen Ursache
c) Idiopathische thrombozytopenische Purpura
d) Sekundär aufgrund einer medikamentösen Ursache ­(DRESS-Syndrom [«drug rash with eosinophilia and systemic symptoms»])
e) Sekundär aufgrund eines hämatologischen Malignoms
Die Differentialdiagnose ist zu diesem Zeitpunkt umfassend. Eine idiopathische thrombozytopenische Purpura ist angesichts des klinischen und labormedizinischen Gesamtbilds allerdings die am wenigsten wahrscheinliche Hypothese. Ungeachtet der Umstellung der Behandlung hat der Patient an Tag 4 bestehend hohes Fieber. Weitere Laboruntersuchungen ergeben ein erhöhtes Ferritin (14 319 µg/l), einen Triglyzeridwert von 2,54 mmol/l und ein Fibrinogen von 6,3 g/l. Die täglich angelegten Blutkulturen (unter Antibiotikatherapie) bleiben negativ (2/2 Paaren an den Tagen 0, 1, 2, 3, 4, 5 und 6). Vor diesem Hintergrund wird aufgrund eines erhöhten H-Scores (196 Punkte), was einer Wahrscheinlichkeit von 80–88% entspricht, ein Hämophagozytose-Syndrom in Betracht gezogen.

Frage 2: Welche diagnostische Untersuchung scheint Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht angezeigt?


a) HIV-Test
b) Hepatitis-Serologien auf Hepatitis-A- (HAV), Hepatitis-B- (HBV), Hepatitis-C- (HCV), Hepatitis-E-Virus (HEV)
c) Epstein-Barr-Virus (EBV), Zytomegalievirus (ZMV)
d) Toxoplasmose
e) Dicker Tropfen und Malariaschnelltest
Weitere mikrobiologische Untersuchungen werden durchgeführt (siehe Tab. S2 im Anhang des Online-Artikels). Da der Patient nicht in ein Risikogebiet gereist ist, erfolgt kein Malariatest. An Tag 4 verschlechtert sich der klinische Zustand, der Patient wird aufgrund einer akuten respiratorischen Insuffizienz mit beidseitigen diffusen Infiltraten im Röntgen-Thorax, die mit einem beginnenden akuten Atemnotsyndrom (ARDS) vereinbar sind, auf die Intensivstation überstellt.

Frage 3: Wie lautet Ihre mikrobiologische Differentialdia­gnose dieser Trias bei Infektionsverdacht: hohes Fieber, starke Thrombozytopenie, Transaminasenerhöhung?


a) Rickettsiose
b) Leptospirose
c) Akute Mononukleose durch EBV
d) Anaplasmose
e) Coxiella burnetii (Q-Fieber)
Alle genannten Erreger können für die klinische Trias verantwortlich sein. Das klinische Bild der Infektion mit diesen Erregern ähnelt sich sehr und ist durch hohes Fieber, beeinträchtigten Allgemeinzustand und Anomalien wie schwere Thrombozytopenie und akute Hepatitis geprägt. Rickettsiosen und Anaplasmose werden vor allem durch Zecken übertragen, Leptospirose durch Kontakt mit dem Urin von Nagetieren und das EBV durch Kontakt mit menschlichem Speichel. Das Q-Fieber wird durch Konsum kontaminierter, nicht pasteurisierter Nahrungsmittel übertragen. Die Diagnose beruht bei Rickettsiosen, akuter Mononukleose durch EBV und Q-Fieber auf serodiagnostischen Verfahren, bei Leptospirose und Anaplasmose je nach Krankheitsstadium auf serodiagnostischen Verfahren oder einem PCR-Test mit Blut- oder Harnproben. Allerdings weist bei unserem Patienten das Ausbleiben des klinischen und labormedizinischen Ansprechens auf die Behandlung mit β-Lactam-Antibiotika mit breitem Spektrum auf einen Erreger hin, gegen den diese Antibiotikaklasse nicht wirksam ist.

Frage 4: Welchen Wirkstoff schlagen Sie vor, zur Behandlung hinzuzufügen?


a) Vancomycin
b) Gentamicin
c) Clarithromycin
d) Doxycyclin
e) Chinin
Angesichts des anhaltenden, mit Thrombozytopenie assoziierten Fiebers, der Transaminasenerhöhung und der Jahreszeit, in der die klinischen Symptome in einem plausiblen epidemiologischen Kontext aufgetreten sind, wird die laufende Antibiotikatherapie mit Doxycyclin 100 mg alle 12 Stunden per os ergänzt, um intrazelluläre Erreger wie etwa Rickettsien zu bekämpfen. Der Verlauf ist einen Tag nach der Verlegung auf die Intensivstation günstig: Das Fieber klingt 24 Stunden nach dem Beginn der Doxycyclingabe ab und die Laborwerte verbessern sich (siehe Tab. S1 im Anhang des Online-Artikels).
Schliesslich bestätigt ein auf Anaplasma (A.) phagocytophilum positiver PCR-Bluttest am Institut für medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich die Dia­gnose einer Anaplasmose. Die Behandlung wird darum insgesamt zehn Tage lang fortgesetzt, wodurch sich die Infektionsparameter und Laborwerte vollständig normalisieren (siehe Abb. S1 im Anhang des Online-Artikels). Da der Patient in der Folge bei der eingehenden Anamnese angibt, viele Stunden im Garten seines Chalets im Wallis gearbeitet zu haben, wird eine durch Zecken übertragene Infektion als Ursache angesehen.

Frage 5: Welcher dieser Erreger wird in der Schweiz nicht übertragen?


a) FSME-Virus (Frühsommer-Meningoenzephalitis)
b) Borrelia burgdorferi sp. (Lyme-Borreliose)
c) Francisella tularensis (Tularämie)
d) Anaplasma phagocytophilum (Anaplasmose)
e) Rickettsia africae (Afrikanisches Zeckenbissfieber)
Alle genannten Erreger können durch Zecken in der Schweiz übertragen werden, ausser Rickettsia africae (wird durch Zecken der in der Schweiz nicht endemischen Art Amblyomma variegatum übertragen), und klinische Symptome mit individuell unterschiedlichem Schweregrad auslösen.

Diskussion

Durch Zecken übertragene Krankheiten wie die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis kommen in der Schweiz häufig vor und ihre Inzidenz ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen (Tab. 1) [1]. Auch wenn die beiden genannten hierzulande die häufigsten durch Zecken übertragenen Krankheiten sind, darf man auch andere wie Anaplasmose, Babesiose, ­Rickettsiosen und Tularämie nicht ausser Acht lassen.
Tabelle 1: Zeckenübertragene Krankheiten in der Schweiz: Häufigkeit, Reservoir, Übertragung, Klinik und Behandlung [1, 15–18].
 HäufigkeitReservoirÜbertragungKlinisches BildBehandlung
Lyme-Borreliose
(Borrelia burgdorferi sensu lato)
25 400 ärztliche Konsultationen aufgrund eines Zeckenstichs

15 500 Fälle akuter Borreliose von ­Januar–Oktober 2020
Wildlebende Säugetiere (Nagetiere)Zeckenstich3 Stadien:
1. Frühes lokalisiertes Stadium
2. Frühes disseminiertes ­Stadium
3. Spätes disseminiertes ­Stadium
Je nach Krankheitsstadium
Frühsommer-Meningoenze­phalitis (FSME)435 Fälle von Januar–Oktober 2020Wildlebende Säugetiere (Nagetiere)ZeckenstichBreites Spektrum: asymptomatisch, grippeähnliche Symptome oder akute MeningoenzephalitisKeine, symptomatische ­Behandlung
Babesiose (Babesia microti et Babesia divergens)
Keine offiziellen ­ZahlenWildlebende Säugetiere (Nagetiere)Zeckenstich, ­Bluttrans­fusionBreites Spektrum: asymptomatisch, grippeähnliche Symptome oder schweres klinisches Bild mit ARDSClindamycin und Chinin
Ehrlichiose (Candidatus ­Neoehrlichia mikurensis), ­Anaplasmose (Anaplasma ­phagocytophilum)Keine offiziellen ZahlenWildlebende Säugetiere (Nagetiere, Hirsch)Zeckenstich, BluttransfusionBreites Spektrum: asymptomatisch, grippeähnliche Symptome oder schweres klinisches Bild mit MOV und ARDSDoxycyclin
Tularämie(Francisella ­tularensis)59% der Fälle durch Zecken übertragen, 45 Fälle von Januar–Oktober 2020Wildlebende Säugetiere, über 100 Arten (Nagetiere, Hase, Hirsch)Stich/Biss von ­Insekten oder Zecken, direkter Kontakt mit infiziertem Säugetier, Konsum von kontaminiertem Nahrungsmittel oder Wasser, Inhalation, Tierbiss/-kratzerGrippeähnliche Symptome mit 6 klinischen Verlaufsformen: ­ulzeroglandulär, glandulär, ­okuloglandulär, oropharyngeal, typhoidal und pulmonalDoxycyclin, ­Fluorchinolone, Aminoglykoside (je nach Schweregrad)
Rickettsiose (Rickettsia [R.] ­helvetica, R. sibirica, R. ­monacensis, R. sanguineus, R. slovaca)Keine offiziellen ­ZahlenWildlebende ­SäugetiereZeckenstichVariables klinisches Bild mit ­grippeähnlichen Symptomen, Kopfschmerzen, HautausschlagDoxycyclin
ARDS: akutes Atemnotsyndrom; MOV: Multiorganversagen.
Wir beschreiben in diesem Artikel den – unseres Wissen – ersten Fall einer akuten humanen granulozytären Anaplasmose (HGA), der in der Schweiz durch PCR bestätigt wurde. Er betrifft einen 85-jährigen Patienten, der sich im Wallis aufgehalten hatte und mit Thrombozytopenie assoziiertes Fieber und eine Erhöhung der Serumtransaminasen aufwies. Diese Infektionskrankheit ist hierzulande wahrscheinlich unterdia­gnostiziert. Im Falle eines plausiblen epidemiologischen Kontexts sollte die HGA Teil der Differentialdiagnose sein, sobald diese Trias auftritt (Fieber, Thrombozytopenie, Transaminasenerhöhung).
Anaplasmose ist eine durch Zecken übertragene Infektionskrankheit, die durch etwa 0,4–1,5 μm grosse, gramnegative, obligat intrazelluläre Bakterien der Gattung Anaplasma ausgelöst wird. Der Erreger ist weltweit verbreitet, mit endemischer Häufung in bestimmten Gebieten der Vereinigten Staaten, Europas und Asiens [2, 3]. Die Präsenz des Erregers in diesen Regionen entspricht jenen Gebieten, in denen Zecken der Gattung Ixodes Menschen stechen. In Westeuropa ist der Hauptvektor Ixodes ricinus [4], in Osteuropa Ixodes persulcatus, in Nordamerika Ixodes scapularis und pacificus. Oechslin et al. sammelten 2017 an 18 stadtnahen Orten in der Schweiz 1078 Exemplare von Ixodes ricinus und zeigten, dass 20% der Zecken zwei oder drei potenziell humanpathogene Erregerarten trugen. Die Prävalenz betrug dabei 1,4% für A. phagocytophilum und 18% für Borrelia burgdorferisensu lato [5]. Diese Ergebnisse wurden in einer grossen epidemiologischen Studie reproduziert, in der 62 889 Exemplare von Ixodes ricinus untersucht wurden, die man 2008 auf einheitliche Weise in der ganzen Schweiz gesammelt hatte [6]. Die extrahierte DNA dieser Zecken zeigte ebenfalls eine geschätzte Prävalenz von A. phagocytophilum bei 1,71% der Zecken [6]. Angesichts dieser Ergebnisse gilt es festzuhalten, dass eine einzelne Zecke mehrere Erreger gleichzeitig tragen und darum durch ihren Stich übertragen kann (insbesondere Borrelia burgdorferi sp, FSME-Virus, Babesia microti und A. phagocytophilum). Koinfektionen sind also möglich. Derzeit mangelt es noch an genauen Daten über die Epidemiologie von HGA beim Menschen in der Schweiz. Ältere Daten weisen auf eine Seroprävalenz von Ehrlichia phagocytophila (frühere Bezeichnung) von 5–6% hin, allerdings wurde dies durch keine weitere Studie bestätigt [7]. Als Hauptreservoir dienen wildlebende Säugetiere wie Hirsche und Nagetiere, der Mensch ist ein Nebenwirt. Die genaue Pathogenese ist derzeit noch nicht vollständig geklärt. In unserem Fall gab der Patient keinen Zeckenstich an, sehr wohl aber eine Tätigkeit mit hohem Expositionsrisiko, nämlich die Arbeit in seinem Garten im Wallis rund 10–14 Tage vor Auftreten der Symptome.
Das klinische Bild der HGA ist variabel und reicht von Symptomfreiheit bis zu leichtem bis starkem Fieber mit Kopf-, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit. Die Inkubationszeit nach dem Zeckenstich dauert 5–21 Tage [8]. Wie im beschriebenen Fall geht das Fieber oftmals einher mit starker Lymphopenie (in 60–70% der Fälle gefolgt von reaktiver Lymphozytose mit atypischen Lymphozyten während der Rekonvaleszenz), Thrombozytopenie (70%) und Erhöhung der Serum­aminotransferasen (70%) [8]. In der Mehrheit der Fälle klingt die HGA spontan ab und die Symptome verschwinden auch ohne Antibiotikum innert 30 Tagen. Komplikationen sind selten und äussern sich in 3% der Fälle als Hepatitis, Pneumonie, ARDS, hämodynamische Instabilität, Hämophagozytose-Syndrom, schwere opportunistische Infektion, Störung des Zen­tralnervensystems oder Tod in <1% der Fälle [2, 3, 9–12].
Zur Diagnose einer Anaplasmose stehen mehrere Methoden zur Verfügung und die Wahl der Untersuchungen hängt davon ab, wie viel Zeit seit Auftreten der Symptome vergangen ist. Der Goldstandard ist weiterhin der Nachweis einer Serokonversion oder eines vierfachen Anstiegs des Antiköpertiters während der Rekonvaleszenz. Dies ist der Test mit der höchsten Sensitivität zur Bestätigung der Diagnose. In der ersten Woche der Symptome ist die Untersuchung eines dicken Tropfens peripheren Bluts die schnellste Diagnosemethode und ermöglicht die Darstellung der Morulae genannten zytoplasmatischen Einschlüsse in den Neutrophilen (abgeleitet vom lateinischen «morus» für «Maulbeere»), die durch die Vermehrung der Bakterien in Vakuolen entstehen. Diese Methode hat nur in der ersten Woche der Infektion eine hohe Sensitivität, ermöglicht aber eine möglichst rasche Diagnosestellung. Morulae werden in 25–75% der gemeldeten Fälle beschrieben [8]. Die Sensitivität des Tests hängt indes stark vom klinischen Verdacht und von der Expertise des technischen Laborpersonals ab. Darüber hinaus steht ein molekularbiologischer Test mit einer Sensitivität in der ersten Infektionswoche von beinahe 100% zur Verfügung, die in der zweiten Woche auf 67% sinkt [11, 13, 14]. Zu beachten ist, dass die Antibiotikatherapie mit Doxycyclin die Leistung des molekularbiologischen Tests verringern kann. Darum sollten die Blutproben möglichst vor Therapiebeginn abgenommen werden. Die empfohlene Behandlung ist im Allgemeinen Doxycyclin 100 mg alle 12 Stunden per os während einer Gesamtdauer von 5–14 Tagen. Zu erwarten ist eine klinische und labormedizinische Besserung innerhalb von 24–48 Stunden nach Therapiebeginn. Bei Tetrazyklin­allergie oder Schwangerschaft kann alternativ Rifampicin verwendet werden. Es sei zudem darauf hingewiesen, dass keine prophylaktische Behandlung nach einem Zeckenstich empfohlen wird [8].

Schlussfolgerung

Aufgrund der Prävalenz von Zecken der Art Ixodes ricinus, die in der Schweiz A. phagocytophilum tragen, müssen die Ärztinnen und Ärzte hierzulande über die Möglichkeit dieser durch Zecken übertragbaren Krankheit informiert werden. Die Trias Fieber, Thrombozytopenie und Transaminasenerhöhung in einem plausiblen epidemiologischen Kontext sollte in der klinischen Praxis ein Warnzeichen sein. In diesem Fall können die geeigneten mikrobiologischen Tests veranlasst und eine Behandlung mit Doxycyclin begonnen werden, ohne die Labor­ergebnisse abzuwarten.

Antworten:


Frage 1: c. Frage 2: e. Frage 3: a, b, c, d, e. Frage 4: d. Frage 5: e.
Die Autoren haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
Dr. med. Ilona Kronig
Service de maladies ­infectieuses
Département de Médecine
Hôpitaux Universitaires de Genève
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
CH-1211 Genève 14
Ilona.Kronig[at]hcuge.ch
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