Grosses reifes Teratom des ­vorderen Mediastinums
Intraoperative Behandlung

Grosses reifes Teratom des ­vorderen Mediastinums

Der besondere Fall
Ausgabe
2022/45
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09007
Swiss Med Forum. 2022;22(45):741-743

Affiliations
Service d’Anesthésiologie de l’Hôpital de Sion, Hôpital du Valais, Sion
* Geteilte Erstautorschaft

Publiziert am 09.11.2022

Ein 47-jähriger Patient in allgemein gutem Gesundheitszustand wurde zuwiesen, nachdem bei einer aufgrund von Bauchschmerzen durchgeführten Ultraschalluntersuchung zufällig eine mediastinale Masse entdeckt worden war.

Hintergrund

Die intraoperative Behandlung eines grossen Teratoms des Mediastinums stellt aufgrund des Risikos einer kardiorespiratorischen Dekompensation wegen des Masseneffekts stets eine Herausforderung dar, insbesondere bei der Einleitung der Narkose. Wir berichten über den Fall eines 47-jährigen Patienten mit einem enormen Teratom des vorderen Mediastinums von 21 × 14 × 13 cm, der in einem nicht universitären Krankenhaus operiert wurde. Die Masse übte Druck auf die Vena cava superior und die Atemwege aus. Nach einer sorgfältigen klinischen und radiologischen Untersuchung organisierten wir das intraoperative Management, wobei wir besonderes Augenmerk auf die multidisziplinäre Zusammenarbeit und die Einleitung der Narkose legten. Letztere erfolgte schrittweise, beginnend mit der Organisation der Einsetzung eines extrakorporalen Membranoxygenators (ECMO) im Falle eines kardiorespiratorischen Kollapses. Schliesslich verglichen wir unsere Praxis mit den Empfehlungen der Literatur.

Fallbericht

Anamnese und Status

Ein 47-jähriger Patient in allgemein gutem Gesundheitszustand wurde an uns überwiesen, nachdem bei einer Ultraschalluntersuchung, die aufgrund von Bauchschmerzen durchgeführt wurde, zufällig eine mediastinale Masse entdeckt worden war.
Die Anamnese ergab, dass der Patient aufgrund von Orthopnoe seit fünf Jahren spontan auf seiner rechten Seite schläft, wobei er in den letzten Wochen eine leichte Belastungsdyspnoe verspürte. In der Vergangenheit hatte er nie Brustschmerzen verspürt.
Der Status zeigt einen Patienten, der mit 150 Schlägen pro Minute tachykard ist. Die Palpation des oberen Abdomens ist diffus schmerzhaft. Die periphere Durchblutung ist erhalten.

Befunde und Diagnose

Die in der Notaufnahme durchgeführte Computertomographie zeigte eine vorwiegend zystische Läsion im rechten vorderen und seitlichen Hemithorax, die 13,9 × 18,9 cm mass (Abb. 1 und 2), mit einem starken Masseneffekt auf die Herzkammern, vor allem auf den rechten Vorhof, sowie auf die Aorta, den Truncus pulmonalis und die Vena cava superior, die kaum durchlässig blieb. Auch ein bedeutender Masseneffekt auf die Carina und die Hauptbronchien rechts und links sowie ein Perikarderguss wurden festgestellt. Eine Magnetresonanztomographie des Mediastinums liess zuerst auf ein zystisches Teratom schliessen.
Abbildung 1: CT Thorax, axial.
Abbildung 2: CT Thorax, longitudinal.
Eine Echokardiografie zeigte eine gute linksventrikuläre Auswurffraktion, eine Kompression des rechten Ventrikels mit mässig eingeschränkter Funktion, eine Dilatation des rechten Vorhofs und einen umgebenden Perikarderguss von 3,8 cm, der reaktiv war, hämodynamisch mittelgradig toleriert wurde und somit die Indikation für eine Notdrainage stellte.

Behandlung

Eine Drainage, mittels welcher 800 ml blutiger Perikarderguss punktiert werden konnte, wurde von den Herzchirurgen unter Lokalanästhesie eingelegt. Zusätzlich wurden 70 mg Ketamin intravenös verabreicht.
Anschliessend wurde die Operationsindikation für die vollständige Resektion der Masse durch einen rechtsseitigen Hemiclamshell-Zugang gestellt. Am Tag vor der Operation legten wir eine thorakale Periduralanästhesie an, um das Risiko der Entwicklung eines perimedullären Hämatoms in Verbindung mit der Antikoagulation, die für die eventuelle Anlage einer ECMO erforderlich war, zu begrenzen. Der Patient kam in rechter Seitenlage in den OP, um die Dyspnoe in Verbindung mit der komprimierenden Wirkung der Masse zu minimieren. Unmittelbar vor der Einleitung der Narkose wurde der Patient in Rückenlage mit erhöhtem Oberkörper gelagert. Wir haben einen arteriellen Katheter radial rechts und einen zweiten femoral links angebracht sowie einen zentralen Venenkatheter an der internen V. jugularis rechts und einen zweiten femoral links. Zusätzlich zur üblichen Standardausrüstung wurde die zerebrale Oxymetrie gemessen, um sicherzustellen, dass das Gehirn bei einer Kompression der Vena cava superior gut mit Sauerstoff versorgt wird.
Die Einleitung wurde Schritt für Schritt vorgenommen. Während der Präoxygenierung des Patienten wurden die OP-Abdeckungen angelegt und das OP-Team war anwesend, um darauf vorbereitet zu sein, bei Bedarf so schnell wie möglich eine ECMO anzulegen.
Die Einleitung erfolgte mit 8% Sevofluran in Spontanatmung. Fentanyl wurde vorsichtig auf 400 Mikrogramm titriert. Nachdem die Durchgängigkeit der Atemwege sichergestellt war, wurde ein Bolus von 100 mg Propofol verabreicht, gefolgt von 50 mg Rocuronium. Nach der Curarisierung führte das Absenken der Masse auf die wichtigen anatomischen Strukturen des Thorax, zusammen mit dem positiven Druck der mechanischen Beatmung, zu einer erheblichen Hypotonie, die eine Erhöhung der Dosierung des Noradrenalins erforderte, das präventiv eingeleitet worden war. Der dopellumige Endotrachealtubus wurde mit einem Videolaryngoskop problemlos in die Luftröhre eingeführt, doch die Positionierung des Tubus im linken Hauptbronchus durch ein Fibroskop war aufgrund der schlechten Visualisierung der vollständig komprimierten Carina schwierig (Abb. 3). Als der Patient flach gelagert wurde, um mit der Operation zu beginnen, traten ein beeindruckendes Ödem und eine Zyanose des Oberkörpers auf, was auf ein Vena-cava-superior-Syndrom hindeutete (Abb. 4). Gleichzeitig fielen die zerebrale Oxymetrie sowie die am Ohr gemessene Sauerstoffsättigung ab. Danach stabilisierten sich die Parameter dank der Amine und des Volumens und die Operation konnte beginnen.Die Operation verlief ohne Komplikationen. Die Masse bedeckte fast den gesamten rechten Hemithorax, das vordere Mediastinum und ragte in den linken Hemithorax hinein. Es bestand eine starke Adhäsion an der rechten V. subclavia und am proximalen Teil des N. phrenicus (Abb. 5). Die gesamte Masse wurde reseziert und die Pathologie bestätigte ein reifes Teratom von 2250 g (Abb. 6). Während des Eingriffs und während der Nachbehandlung traten keine grösseren Komplikationen auf. Der Blutverlust betrug 996 ml. Unmittelbar nach der Operation wurde der Patient in die Überwachungspflege aufgenommen.
Abbildung 3: Fiberskop endotracheal.
Abbildung 4: Vena-cava-superior-Syndrom. Ein schriftlicher Informed Consent für die Publikation liegt vor.
Abbildung 5: Chirurgischer Zugang über Hemiclamshell.
Abbildung 6: Reifes Teratom von 2250 g.
Die Nachbehandlung war durch eine Funktionsstörung des rechten N. phrenicus gekennzeichnet, da dieser bei der chirurgischen Dissektion aufgrund einer Adhäsion mit der Tumormasse verletzt worden war, was eine Erhöhung der rechten Zwerchfellkuppel und einen Belastungstest, der eine Senkung der maximalen Sauerstoffaufnahme auf 64% des vorhergesagten Wertes zeigte, erklärt.
Die abschliessende transthorakale Echokardiografie zeigte einen normgerechten Befund und der Patient konnte das Krankenhaus nach 16 Tagen verlassen. Er kehrte drei Monate nach der Operation an seinen Arbeitsplatz zurück.

Diskussion

Reife Teratome des vorderen Mediastinums, die aus den embryonalen Keimblättern hervorgegangen sind, treten im Allgemeinen bei jungen Patienten auf [1, 2]. Der Begriff «Teratom» ist vom griechischen «teras» abgeleitet, was «Ungeheuer» bedeutet. Sie wachsen langsam, und mehr als die Hälfte der Tumoren werden diagnostiziert, bevor Symptome auftreten [1, 3, 4]. Diese Symptome sind je nach den betroffenen Strukturen unterschiedlich, aber das vorherrschende Symptom sind Brustschmerzen. Die bevorzugte Behandlung ist die chirurgische Exzision [1, 3].
Die Einleitung der Vollnarkose ist bei Patienten mit grossen mediastinalen Massen aufgrund der Kompression der Atemwege, des Vena-cava-superior-Syndroms und des restriktiven Lungensyndroms eine Herausforderung [5], ein Thema, über das in der Literatur berichtet wird [6, 7]. Wir hatten die Grösse des Tumors, seine Position und die Kompression der angrenzenden Organe vorab untersucht. Das wichtigste Element der Anamnese bestand im Wissen, dass der Patient in rechter Seitenlage weniger dyspnoisch war, und das war die Position, die wir bis zum letzten Moment vor der Einleitung der Narkose beibehalten haben, um die Hämodynamik und die Sauerstoffversorgung zu optimieren. Im Falle einer Verschlechterung der Hämodynamik wäre der Operationstisch nach rechts gekippt worden.
Die Einleitung der Anästhesie fand im Operationssaal statt. Die Anwesenheit der Herz- und Thoraxchirurgen, Kardiotechniker und die Vorbereitung des Operationsgebiets am Patienten gaben uns die Möglichkeit, bei einer hämodynamischen Verschlechterung oder einer völligen Verlegung der Atemwege aufgrund der Einleitung der Narkose eine ECMO anzulegen. Diese Strategie hat sich für ähnliche Patienten bereits als notwendig erwiesen [5, 8]. Das Anlegen einer ECMO vor dem Eingriff erhöht das Blutungsrisiko, da dafür Antikoagulation notwendig ist.
Der Femoralarterienkatheter und der femorale Zentralvenenkatheter wurden gelegt, um die kardiovaskulären Parameter im Falle einer Kompression der grossen mediastinalen Gefässe durch die Masse infolge von Curarisierung und positivem Druck bei der mechanischen Beatmung sicherzustellen; und um die Verabreichung von Medikamenten und Flüssigkeitsvolumen bei Bedarf zu gewährleisten. Das Vena-cava-superior-Syndrom verursacht eine Verringerung des Blutstroms und führt gelegentlich zu Phlebitiden oder Thrombosen, wodurch die pharmakokinetischen Bedingungen verändert werden. Das Legen der Katheter an der linken Femoralarterie konnte mit dem Legen der ECMO-Kanülen an der rechten Femoralarterie und -vene kombiniert werden, wodurch die Zeit für das Anlegen der ECMO im Falle einer hämodynamischen Instabilität minimiert wurde.
Wir haben uns für eine Einleitung mit Sevofluran entschieden, um eine Spontanatmung aufrechtzuerhalten und um die Kompression der Vena cava durch den positiven Druck der mechanischen Belüftung zu vermeiden. In Rückenlage wird der Querdurchmesser des Thorax reduziert, ebenso der Tonus der inspiratorischen Muskeln. Der Inhalt des Abdomens wird somit Richtung Kopf verschoben, was das bereits bestehende restriktive Syndrom verschlechtert [5].
Obwohl einige Empfehlungen von der Verwendung von Curare abraten [5], haben wir uns für eine Curarisierung mit Rocuronium entschieden, um die Intubationsbedingungen zu optimieren. Die Positionierung des doppellumigen Endotrachealtubus erwies sich aufgrund der Kompression der Carina und der Stammbronchien sowie der Verschiebung des Mediastinums trotz der Verwendung eines Fiberskops als schwierig, was zu Episoden der Entsättigung führte, die später behoben wurden. In diesem Zusammenhang sollten Endotrachealtuben in verschiedenen Grössen und Längen zur Verfügung stehen [5].
Sophie Soudry, dipl. Ärztin
Service d’Anesthésiologie de l’Hôpital de Sion, Hôpital du Valais, Sion

Das Wichtigste für die Praxis

Die intraoperative Behandlung grosser mediastinaler Teratome stellt aufgrund des Risikos eines Herz-Kreislauf-Kollapses durch Kompression der anatomisch wichtigen Strukturen eine Herausforderung dar.
Die detaillierte Untersuchung der Position des Tumors und seiner Verbindung mit den angrenzenden Strukturen vor der operativen Behandlung ist unerlässlich, ebenso die Kommunikation zwischen den verschiedenen Chirurgen, Anästhesisten und Kardiotechnikern.
Eine Behandlung in nicht-universitärem Umfeld ist möglich, sofern im Notfall bei Komplikationen während der Einleitung der Anästhesie eine ECMO angelegt werden kann.
Die Nachbehandlung nach einem solchen Eingriff kann einfach sein, die Patienten erreichen einige Wochen später wieder eine gute Lebensqualität.
Ein schriftlicher Informed Consent zur Publikation liegt vor.
Sophie Soudry
Service d’Anesthésiologie de l’Hôpital de Sion
Hôpital du Valais
Avenue du Grand Champsec 80
CH-1950 Sion
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