Infektion mit Mycobacterium malmoense  mit letalem Ausgang
Nichttuberkulöse Mykobakterien

Infektion mit Mycobacterium malmoense mit letalem Ausgang

Der besondere Fall
Ausgabe
2023/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09078
Swiss Med Forum. 2023;23(11):964-966

Affiliations
Kantonsspital Graubünden, Chur: a Department Innere Medizin, b Institut für Pathologie, c Institut für Radiologie

Publiziert am 15.03.2023

Ein 56-jähriger Patient stellte sich mit chronischem Husten und weisslichem Auswurf, Inappetenz, einem Gewichtsverlust von 10 kg und seit drei Wochen bestehendem Nachtschweiss auf der Notfallstation vor.

Hintergrund

Das Mycobacterium (M.) malmoense gehört zu den nichttuberkulösen Mykobakterien (NTM), auch atypische Mykobakterien genannt. Sie sind weit verbreitet, kommen unter anderem in Böden und Gewässern vor und gelten als nicht von Mensch zu Mensch übertragbar [1]. Infektionen mit atypischen Mykobakterien sind selten, seit 1980 steigt die Infektionsrate jedoch an – mit regionalen Unterschieden in der Ausbreitung der verschiedenen NTM-Arten. Die Prävalenz der NTM-Infektionen liegt in den Industrienationen bei 1,0–1,8 Fällen / 100 000 Einwohner [2]. Häufig liegen eine prädisponierende pulmonale Erkrankung wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und/oder ein lang bestehender Nikotinkonsum vor. Auch unter Immunsuppression und bei Personen mit HIV-Infektion treten atypische Mykobakteriosen gehäuft auf [3].

Fallbericht

Anamnese

Ein 56-jähriger Patient stellte sich mit chronischem Husten und weisslichem Auswurf, Inappetenz, einem Gewichtsverlust von 10 kg und seit drei Wochen bestehendem Nachtschweiss auf der Notfallstation vor. Fieber wurde verneint. An Vorerkrankungen bestanden ein schädlicher Alkoholkonsum und ein Nikotinabusus mit 60 «pack years», zudem war bereits eine leichte normochrome, normozytäre Anämie bekannt.

Status und Befunde

In der klinischen Untersuchung des kachektisch wirkenden Patienten fand sich ein abgeschwächtes Atemgeräusch rechts bei normwertiger Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung.
Laborchemisch wurde ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) von 91,1 mg/l festgestellt, die Leukozyten lagen im Normbereich.
Im Röntgenbild des Thorax fiel im rechten Lungenapex eine Kavität mit angrenzenden retikulonodulären Infiltraten auf (Abb. 1).
Abbildung 1: Röntgen-Thorax (pa): Rechtsbetonte retikulonoduläre Infiltrate mit Kavernenbildung im rechten Oberlappen. Rechtshiläre und mediastinale Lymphadenopathie. Keine Pleuraergüsse.
In der daraufhin durchgeführten Computertomographie (CT) (mit intravenöser Kontrastmittelgabe) bestätigte sich dieser Befund. Es fanden sich zudem vergrösserte, teils zentral nekrotische Lymphknoten mit peripherer Kontrastmittelaufnahme sowie ausgedehnte (rechts betonte) Konsolidierungen und Bronchiektasen (Abb. 2).
Abbildung 2: Thorax-Computertomogramm (Axialschnitte): A) Das Weichteilfenster zeigt einen 3 cm messenden, zentral nekrotisch einschmelzenden paratrachealen Lymphknoten (Pfeil). B) Das Lungenfenster zeigt Bronchiektasen (langer Pfeil), Kavitationen (Pfeilspitze) sowie dorsal betonte konsolidierende Infiltrate (kurzer Pfeil) in der rechten Lunge.
Die Kavität liess angesichts von Klinik und Anamnese als Erstes an eine Tuberkulose (Tbc) denken. Differentialdiagnostisch kamen ein nekrotisierender Tumor, eine chronisch abszedierende Pneumonie oder eine Infektion mit NTM infrage.
Der Patient wurde folglich mit Verdacht auf Tbc isoliert. In den wiederholt gewonnenen Sputumproben konnten im Direktpräparat zweimal reichlich säurefeste Stäbchen nachgewiesen werden. Zudem wurden basierend auf Sputumproben und Bronchialspülung Kulturen auf Bakterien und Mykobakterien angelegt. Die Polymerasekettenreaktions-(PCR-)Tests auf Mycobacterium-tuberculosis-Komplex waren jedoch in beiden Materialien negativ, sodass eine Tbc als sehr unwahrscheinlich galt und der Patient daraufhin entisoliert wurde. Der zytologische Befund der Bronchialspülung erbrachte keinen Nachweis maligner Zellen. Ein HIV-Test war negativ. In der Bodyplethysmographie ergab sich kein Hinweis auf eine obstruktive Lungenkrankheit. In der bakteriellen Kultur aus dem Bronchialsekret wuchsen schliesslich Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae und Stenotrophomonas maltophilia.

Diagnose und Therapie

Basierend auf dem Befund in der bakteriellen Kultur gingen wir bei dem Patienten von einer abszedierenden Pneumonie aus und begannen eine Therapie mit Piperacillin/Tazobactam. Die säurefesten Stäbchen, obwohl im Sputum reichlich vorhanden, waren im Lymphknotenpunktat (hilomediastinal) und im Bürstenpräparat (anteriores Oberlappensegment) nicht nachweisbar und wurden als kolonisierende NMT gewertet.

Verlauf

Der Patient wurde aufgrund seines reduzierten Allgemeinzustandes in eine pneumologische Rehabilitationsklinik verlegt. Dort entwickelte er nach drei Wochen eine Leukopenie, weshalb die antibiotische Therapie auf Cefepim umgestellt wurde. Dennoch kam es zu einer weiteren Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Nach sechs Wochen wuchs in der Kultur aus Sputum und Bronchialsekret M. malmoense. Somit stand die Diagnose einer Lungeninfektion durch M. malmoense fest. In Anlehnung an die Guidelines für Infektionen mit M. malmoense der «British Thoracic Society» (BTS) von 2017 wurde die antibiotische Therapie auf Rifampicin, Ethambutol und Clarithromycin umgestellt [4]. Bei schweren Infektionen ist zusätzlich die Gabe von Amikacin intravenös empfohlen, zu diesem Zeitpunkt fiel jedoch bei diesem Patienten aufgrund der Nephrotoxizität die Entscheidung dagegen aus. Da unter den oben genannten Antibiotika die Entzündungswerte nach drei Wochen weiter anstiegen, wurde im Verlauf auf Moxifloxacin, Clarithromycin und die Tuberkulostatika Rifabutin und Isoniazid umgestellt. Letzteres musste aufgrund eines Ikterus (Bilirubin 106 µmol/l) und einer Transaminasenerhöhung im Verlauf wieder abgesetzt werden. Die anderen drei Präparate wurden für sechs Wochen weitergegeben. Trotz der Gabe hochkalorischer Trinknahrung bei erheblicher Energie- und Eiweissmangelernährung kam es im Verlauf zu einem progredienten Gewichtsverlust von insgesamt 20 kg. Zusätzlich litt der Patient unter verstärktem Husten und subfebrilen bis febrilen Temperaturen, der CRP-Wert blieb anhaltend hoch um 140 mg/l, sodass die antibiotische Therapie als nicht hinreichend wirkungsvoll bewertet werden musste. Für die bessere Beurteilung der pulmonalen Gesamtsituation und zur Planung der weiteren Therapieoptionen wurde eine Perfusionsszintigraphie der Lunge durchgeführt. In dieser zeigte sich die rechte, deutlich stärker befallene Lunge als praktisch afunktionell. Der Beitrag des rechten Ober- und Mittellappens zum Gasaustausch lag bei nur 1%. Somit war davon auszugehen, dass aufgrund der schlechten Lungenperfusion lokal nur unzureichend hohe Antibiotikawirkspiegel erreicht werden konnten. Daher wurde nun eine Pneumektomie als therapeutische Option in Betracht gezogen. Echokardiographisch waren die Voraussetzungen dafür gegeben (kein Anhalt für eine pulmonalarterielle Hypertonie) und der Patient wünschte die Operation. Der Fall wurde interdisziplinär diskutiert und eine chirurgische Sanierung der rechten Lunge entschieden, woraufhin die rechtsseitige Pneumektomie (Abb. 3) mit Abdeckung des Bronchusstumpfes durch einen Musculus-serratus-Lappen und sekundärer Wundversiegelung mittels «vacuum assisted closure-(VAC-)-therapy» erfolgte.
Abbildung 3: A) Operationspräparat nach Pneumektomie rechts: honigwabenartig, zahlreiche gelbe Knoten bis 1 cm (Nekrosen/Einschmelzungen/Granulome). B) Operationspräparat Lunge rechts apikal: grosse schwartige Kaverne, ca 12 cm gross.
Postoperativ konnte der Patient zunächst rasch stabilisiert und extubiert werden. Nach einigen Tagen entwickelte er jedoch diverse Komplikationen: Es kam zu Superinfektionen mit multiresistenten Keimen im verbliebenen Lungenflügel, rezidivierenden gastrointestinalen Blutungen und einer ausgeprägten Rechtsherzbelastung mit konsekutivem Vorhofflimmern und Stauungsdermatitis. Die Rechtsherzbelastung war am ehesten auf einen nun erhöhten pulmonalarteriellen Druck infolge der Pneumektomie zurückzuführen.
Trotz intensivmedizinischer Massnahmen verstarb der Patient sechs Wochen postoperativ. Die Autopsie bestätigte eine Rechtsherzinsuffizienz und rezidivierende gastrointestinale Blutungen als führende Todesursachen.

Diskussion

Die Gattung der Mykobakterien umfasst über 160 Arten und Unterarten mit unterschiedlicher Manifestation und Virulenz sowie unterschiedlicher geographischer Ausbreitung [5]. Während Mycobacterium-avium-Komplex (MAC) die weltweit höchste Prävalenz zeigt, kommt M. malmoense hauptsächlich in Nordeuropa vor [5]. Lungeninfektionen durch NTM verursachen unspezifische Symptome und manifestieren sich in unterschiedlicher Form, von Bronchiektasien bis hin zu kavernösen Läsionen reichend [5]. Sie können sich wie eine Tbc präsentieren, sodass in entsprechenden Endemiegebieten (Südamerika, Afrika, Asien) aufgrund fehlender diagnostischer Mittel eine grosse Dunkelziffer (NTM statt Tbc) angenommen wird [5]. In der westlichen Welt tragen Fortschritte in der Bildgebung und verbesserte mikrobiologische Techniken (u.a. «line probe assay», Gensequenzierung) zur spezifischen Identifikation und somit zu höheren Prävalenzwerten bei [5].
M. malmoense ist pathogener als andere NTM und kann schwere pulmonale Infektionen verursachen, typischerweise bei Menschen mit vorgeschädigter Lunge (COPD, Pneumokoniosen, Zystische Fibrose) oder starkem Nikotinkonsum und bei Immunsupprimierten (HIV, erfolgte Transplantation, Therapie mit inhalativen Glukokortikosteroiden oder Biologika) [5].
Wenn in einer Probe säurefeste Stäbchen nachgewiesen werden, die PCR-Untersuchung auf Mycobacterium-tuberculosis-Komplex aber negativ ist, muss davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Infektion mit NTM handelt. In diesem Fall können in Referenzzentren mittels spezifischer PCR langsam wachsende NTM-Spezies nachgewiesen werden [5]. Die Diagnose einer Infektion durch NTM ist schwierig zu stellen: Einerseits sind die Symptome unspezifisch und NTM verhalten sich nicht immer pathogen, andererseits sind sie ubiquitär. Somit muss bei einem Nachweis von NTM zwischen Kontamination, Kolonisation, vorübergehender Infektion und schwerer Infektion differenziert werden. In einer holländischen Studie konnte bei 70% der Personen mit Isolaten von M. malmoense auch eine klinische Relevanz gezeigt werden [1]. Für die Diagnose einer Lungeninfektion mit NTM müssen folgende Kriterien erfüllt sein: a) typische Veränderungen in der Bildgebung (noduläre Verschattungen oder Kaverne im Röntgen-Thorax, gegebenenfalls zusätzlich Bronchiektasen im CT), b) Ausschluss einer anderen Diagnose und c) ein mindestens zweifacher Keimnachweis in der mikrobiologischen Kultur aus zwei verschiedenen Sputumproben oder der kulturelle Nachweis aus Bronchialsekret / bronchoalveolärer Lavage oder der histologische Nachweis einer granulomatösen Entzündung in der Biopsie mit kulturellem Nachweis [2].
Die Therapie der Lungeninfektion durch NTM ist schwierig und aufgrund der hohen Rezidiv- und Reinfektionsrate sehr langwierig (Fortführung der Therapie in der Regel für mindestens zwölf Monate nach Erreichen eines kulturellen Negativbefundes) [6]. Zudem sind die erforderlichen Antibiotika nebenwirkungsreich, sodass häufig eine Anpassung nötig ist. Bleibt eine Besserung aus und ist der Befall sehr ausgeprägt, kann eine Pneumektomie erwogen werden.
Bezüglich der Evidenz für die verschiedenen Therapieverfahren gibt es nur wenige Studien. In einer 1993 durchgeführten skandinavischen Studie mit 25 an atypischer Mykobakteriose Erkrankten konnten nach zwei Jahren bei 3/3 Personen nach Pneumektomie und bei 4/23 nach medikamentöser Therapie keine Mykobakterien mehr nachgewiesen werden. Bei der Hälfte der Betroffenen mit initial erfolgreicher 24-monatiger Mehrfach-Antibiotikatherapie kam es innert zwei Jahren nach Therapieende zu einem Rezidiv, von den Pneumektomierten waren 2/3 nach fünf Jahren weiterhin ohne NTM-Nachweis [7]. Eine Studie aus England aus dem Jahr 2003 mit 106 an M. malmoense Erkrankten ergab bezüglich der konservativen Therapie günstigere Ergebnisse: Nach einer konsequent durchgeführten Antibiotikatherapie mit Rifampicin und Ethambutol über zwei Jahre lag die 5-Jahres-Überlebensrate bei 59%, 42% von ihnen galten als geheilt [8]. Eine chirurgische Therapie kann demnach bei fehlendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie (insbesondere aufgrund von Resistenzen oder schwerem Verlauf mit ausgeprägten Kavitäten) oder bei Komplikationen wie Hämoptysen oder schweren Bronchiektasen empfohlen werden. In jedem Fall gilt es aber, Nutzen und Risiken der Operation genau abzuwägen [5].

Das Wichtigste für die Praxis

Die Prävalenz von Infektionen durch nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) nimmt weltweit zu. Die Gattung der Mykobakterien umfasst über 160 Arten und Unterarten mit unterschiedlicher Manifestation und Virulenz.
Mycobacterium (M.) malmoense ist ein langsam wachsendes NTM, das vor allem in Nordeuropa vorkommt und pathogener ist als andere NTM.
Die Diagnosestellung einer Infektion mit NTM gestaltet sich häufig schwierig, weil manche Spezies (wie M. malmoense) sehr langsam wachsen und bei Erregernachweis zwischen Infektion, Kolonisation und Kontamination differenziert werden muss.
Zur Behandlung einer Infektion mit NTM ist eine antibiotische Kombinationstherapie bis mindestens 12 Monate nach Negativierung der Kulturen erforderlich. Sie ist aufgrund der hohen Toxizität nebenwirkungsreich. Bei schweren Verläufen kann eine Lungenteilresektion in Betracht gezogen werden.
Caroline Laura Wanner, dipl. Ärztin
Departement Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden, Chur
Caroline Laura Wanner
Praxis Integrativ-Medizin
Untergasse 28
CH-7206 Igis
1 Hoefsloot W, Boeree MJ, van Ingen J, Bendien S, Magis C, de Lange W, et al. The rising incidence and clinical relevance of Mycobacterium malmoense: a review of the literature. Int J Tuberc Lung Dis. 2008;12(9):987–93.
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4 Haworth CS, Banks J, Capstick T, Fisher AJ, Gorsuch T, Laurenson IF, et al. British Thoracic Society guidelines for the management of non-tuberculous mycobacterial pulmonary disease (NTM-PD). Thorax. 2017;72(Suppl 2):ii1–64.
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