Hoffnung in der Behandlung von Fatigue nach Covid-Infektion?
Repetitive transkranielle Magnetstimulation

Hoffnung in der Behandlung von Fatigue nach Covid-Infektion?

Kommentar
Ausgabe
2023/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09304
Swiss Med Forum. 2023;23(03):849

Publiziert am 18.01.2023

Da mangels Datengrundlage noch keine evidenzbasierten Behandlungsempfehlungen verfügbar sind, sind kreative Kliniker wichtig, die ihre fachliche Expertise nutzen, um Personen, die an Long-COVID leiden, zu helfen.

Personen, die an Long-COVID leiden, können eine Vielzahl von neurologischen, psychiatrischen und internistischen Symptomen erleben. Dazu können unter anderem Fatigue, Konzentrationsstörungen oder Kurzatmigkeit beim Treppensteigen gehören. Dass längerfristige Gesundheitseinschränkungen nach einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten können, ist seit etwa Mitte des Jahres 2020 bekannt.
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass vermutlich mehre Millionen Menschen weltweit betroffen sind und etwa 15% der Long-COVID-Betroffenen seit mindestens 12 Monaten Symptome haben, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich veröffentlichte [1].
Dies stellt eine erhebliche Belastung für das Gesundheitspersonal und das Gesundheitssystem insgesamt dar. Während sich die Pandemie aufgrund der Einführung vieler lebensrettender Massnahmen positiv verändert hat, sind die Auswirkungen von Long-COVID für alle Länder ernst und erfordern sofortige und nachhaltige Massnahmen, wie Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, kürzlich in einem öffentlichen Aufruf forderte [2].
Nur eine einheitliche Definition von Long-COVID gibt es bisher nicht und spezifische Behandlungsmöglichkeiten sind kaum bekannt. Auf Long-COVID spezialisierte Zentren bieten häufig zwar Diagnostik auf höchstem Niveau an, aber kaum gezielte therapeutische Strategien. In einer Situation, in der mangels Datengrundlage noch keine evidenzbasierten Behandlungsempfehlungen verfügbar sind, sind also kreative Kliniker, die ihre fachliche Expertise nutzen, um Personen, die an Long-COVID leiden, zu helfen, von besonderer Wichtigkeit. Genau das macht den in dieser Ausgabe des Swiss Medical Forum geschilderten Fall so interessant [3]. Herr Professor Seemann blickt auf eine langjährige Erfahrung in der Behandlung von psychiatrischen und neurologischen Störungsbildern mittels repetitiver transkranieller Magnetstimulation (rTMS) zurück. Bei dieser Behandlungsmethode handelt es sich um eine nicht invasive Art der Neurostimulation, durch die Hirnareale in ihrer Aktivität gesteigert oder gebremst werden können. In der Schweiz wird sie mittlerweile an verschiedenen Behandlungszentren angeboten und mit Erfolg zur Therapie von verschiedenen Störungsbildern eingesetzt wie zum Beispiel Depressionen, akustischen Halluzinationen im Rahmen von Schizophrenien oder auch in der Therapie von Tinnitus und anderen neurologischen Krankheitsbildern. Die antidepressive Wirksamkeit der transkraniellen Magnetstimulation konnte in verschiedenen Metaanalysen gezeigt werden. Seit 2018 gibt es mit der Schweizerischen Gesellschaft für Interventionelle Psychiatrie (SGIP) eine ärztliche Gesellschaft in der Schweiz, die die richtige und anerkannte Anwendung der transkraniellen Magnetstimulation für psychiatrische Indikationen zum Ziel hat und die Weiter- und Fortbildung in dieser Methode strukturiert. Leider muss angemerkt werden, dass die Behandlung mit rTMS bislang in der Schweiz trotz zum Beispiel für die Behandlung von Depressionen gut belegter Wirksamkeit keine von den Krankenkassen vergütete Behandlung ist.
Hypothetisch könnten einzelne Symptome von Long-COVID als Störung der neuronalen Plastizität als Folge von chronischem Stress begriffen werden, woraus man die Idee ableiten kann, Behandlungsstrategien aus der Depressionstherapie auch hier anzuwenden – wie die rTMS –, was im oben erwähnten Fall mit Erfolg versucht wurde. In Zukunft könnte es eine interessante Frage für die Forschung sein, grössere Long-COVID-Patientenkollektive mit rTMS zu behandeln und die Behandlungsergebnisse mit geeigneten Kontrollgruppen zu vergleichen. Da rTMS eine bereits etablierte, gut verträgliche, nebenwirkungsarme und kostengünstige Behandlungsart ist und Fatigue nach COVID-Infektion ein grosses Problem darstellt, liegt in dieser Falldarstellung möglicherweise viel Potential.
Dr. med. Johann Wenzel Schicho
Sanatorium Kilchberg, Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Kilchberg
Der Autor hat deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
Dr. med. Johann Wenzel Schicho
Sanatorium Kilchberg
Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Alte Landstrasse 70
CH-8802 Kilchberg