Kurz und bündig
Journal Club Fokus auf … Das hat uns nicht gefreut

Kurz und bündig

Kurz und bündig
Ausgabe
2023/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09354
Swiss Med Forum. 2023;23(04):854-855

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 25.01.2023

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Fokus auf …
Akne inversa (Hidradenitis suppurativa)
Es handelt sich um eine chronisch-progrediente, schubförmig verlaufende entzündliche Hautkrankheit, die oft nicht erkannt und deren Diagnose erst nach vielen Jahren gestellt wird.
Ihre Inzidenz beträgt circa 10 Fälle/100 000/Jahr mit einer Prävalenz von etwa 1%. Sie hat mit 20 und 40 Jahren eine zweigipflige Häufigkeit. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer.
Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die wichtigsten Kriterien sind 1. gruppierte entzündliche Knoten mit Fistelbildung, 2. typische Lokalisation axillär, inguinal, inframammär und perineal sowie 3. chronisch-rezidivierender Verlauf mit Narbenbildung.
Die Läsionen verursachen Schmerzen, Pruritus, Nässen und üblen Geruch, welche die Betroffenen im Alltag, aber auch nachts sehr belasten. Die Schmerzen können manchmal nur mit Opioiden beherrscht werden.
Die Pathogenese wird nur fragmentarisch verstanden. Genetische (Mutationen der Gamma-Sekretase), hormonelle (Androgenüberschuss), mikrobielle und immunologische Faktoren (Tumornekrosefaktor-[TNF-]alpha und Interleuikin-[IL-]17) spielen eine Rolle.
Als Risikofaktoren gelten Rauchen und Adipositas, deren kausale Bedeutung noch nicht geklärt ist. Die (nicht einfache) Kontrolle dieser zwei Faktoren kann den Krankheitsverlauf deutlich verbessern.
Erstlinientherapien umfassen topische (Clindamycin) und systemische Antibiotika (Tetrazykline) sowie intraläsionale Steroidinjektionen.
In zweiter Linie werden Immunsuppressiva und Adalimumab eingesetzt. Chirurgische Interventionen zur Drainage und Exzision sind weitere wichtige Therapieoptionen.
Die Betreuung der Betroffenen ist anspruchsvoll. Kolleginnen und Kollegen der Grundversorgung, Dermatologie und Chirurgie sollten ins Management miteinbezogen sein. Das Verständnis der Schwere dieser Krankheit ist die Basis für eine erfolgreiche Linderung, Besserung oder sogar Kontrolle.
Am J Med. 2023, doi.org/10.1016/j.amjmed.2022.09.025.Verfasst am 24.12.22_MK.

Praxisrelevant

Zellulitis: zu häufig diagnostiziert

Eine Zellulitis ist ein häufiger Hospitalisationsgrund – allerdings existieren für die Diagnosestellung keine harten Kriterien und die Rate an Fehldiagnosen ist vermutlich hoch.
Dies unterstreicht die hier vorliegende Metaanalyse [1] von insgesamt acht Studien, in denen die Diagnose jeweils durch Fachärztinnen- und -ärzte der Dermatologie oder Infektiologie bestätigt respektive verworfen wurde: Von >850 Patientinnen und Patienten mit der initialen Diagnose Zellulitis erhielten nach Konsultation durch die jeweiligen Fachpersonen fast 40% (327/858) eine alternative Diagnose. Diese Diagnosen beinhalteten sowohl infektiöse (Bursitis, Osteomyelitis, septische Arthritis) als auch nichtinfektiöse Genesen (Kristallarthropathie, Ekzem, tiefe Beinvenenthrombose). Am häufigsten fanden sich nichtinfektiöse Ursachen (68%, 221/327), in erster Linie eine Stauungsdermatitis (18%, 60/327).
Die Studie hat immanente Limitationen, zum Beispiel das Fehlen von Prävalenzdaten als Referenzwert, die Heterogenität in den Einschlusskriterien der verschiedenen Studien und die Expertenmeinung – faute de mieux – als «diagnostischen Goldstandard». Zudem werden die Begriffe Erysipel (als oberflächliche Infektion von Epidermis und Dermis) und Zellulitis (als tiefere Infektion inklusive Beteiligung der Subkutis) hier offenbar synonym verwendet.
Die Studie zeigt aber einmal mehr auf, dass auch vordergründig einfache und augenfällige Entitäten immer eine Differentialdiagnose haben: im Kontext von Weichteilinfekten und «Pseudozellulitiden» durchaus mit Implikationen für Antibiotikagabe und Hospitalisationen.
1 J Hosp Med. 2022, doi.org/10.1002/jhm.12977.
Verfasst am 3.1.23_HU.

Regionale Lymphadenopathie nach mRNA-Impfung gegen COVID-19

In einem japanischen Gesundheitsprogramm mit jährlichem Totalkörper-Screening (!) mittels Magnetresonanztomographie (MRT) wurde eine bemerkenswerte Beobachtung in Zusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19 gemacht:
Bei 433 Personen, die mit einem mRNA-Impfstoff (Pfizer oder Moderna) im Deltamuskel vakziniert wurden, erfolgte ein Vergleich der ipsilateralen MRT-Axilla-Region vom Jahr 2020 (vor der Impfung) mit der des Jahres 2021 (nach zwei Impfdosen). Dabei fanden sich bei 90 der Untersuchten (21%) >5 mm vergrösserte Lymphknoten, die im Vorjahr nicht zu entdecken waren. Folgende signifikanten Trends wurden festgestellt: Eine Lymphadenopathie war häufiger bei Jüngeren als bei Älteren, häufiger bei Frauen als bei Männern (29 versus 17%) und häufiger beim Moderna- als beim Pfizer-Impfstoff (40 versus 19%). Die Lymphknoten waren im Durchmesser meist <1 cm und zwei Monate nach der Grundimmunisierung nicht mehr vergrössert.
Was lernen wir daraus? 1. Bei einseitiger axillärer Lymphadenopathie nach vorangegangenen Impfungen fragen, bevor zum Beispiel bei Mammographien falsche Schlüsse gezogen werden. 2. Ein radiologisches Ganzkörper-Screening gesunder Personen birgt die Gefahr, dass transiente und unbedeutende Nebenbefunde erhoben werden, die weitere unnötige Abklärungen verursachen könnten.
Radiology. 2023, doi.org/10.1148/radiol.220814.
Verfasst am 9.1.2023_MK.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Steroide und Pneumonie: kein Mortalitätsbenefit

Die Gabe von Kortikosteroiden als Zusatz zu Antibiotika in der Behandlung der bakteriellen Pneumonie bleibt auch nach Lektüre dieser systematischen Übersichtsarbeit kontrovers: Pathophysiologisch ist die Hemmung der systemischen Entzündungsreaktion nachvollziehbar und vermutlich sinnvoll, die Daten zu klinischen Endpunkten sind weniger eindeutig.
Über 6000 Originalarbeiten wurden dazu gescreent, 16 schliesslich analysiert. Kein signifikanter Unterschied fand sich im primären Endpunkt – der Gesamtmortalität – zwischen der Verumgruppe mit Steroidtherapie und der Kontrollgruppe, ebenso nicht bei den sekundären Endpunkten «treatment failure» (definiert als fehlende Verbesserung von Symptomen und Befunden und/oder radiologische Progression) und Auftreten von unerwünschten Wirkungen (konkret: Folgeinfektionen, gastrointestinale Blutungen, Hyperglykämie). Patientinnen und Patienten unter Kortikosteroiden mussten insgesamt etwas seltener mechanisch beatmet werden – wobei sich dieser Trend wie erwähnt nicht in der Mortalität niederschlug. Umgekehrt war die Rehospitalisationsrate etwas höher unter Steroidtherapie.
Viele Fragen bleiben damit ungelöst, insbesondere die geeigneten Surrogatmarker zur Identifizierung von Personen, die für Kortikosteroide in diesem Setting überhaupt infrage kommen, aber auch Dosis und Dauer der Steroidtherapie.
Kurz: Steroide gehören weiterhin nicht zur Standardtherapie der Pneumonie.
Verfasst am 6.1.23_HU.

Auch noch aufgefallen

Vitamin D: auch bei Statin-assoziierten Muskelsymptomen …

… nutzlos! Bei der diskutierten Arbeit handelte es sich um eine Substudie der VITAL-Studie, die bei mehr als 25 000 Patientinnen und Patienten den Effekt einer Vitamin-D-Substitution auf die Entwicklung von kardiovaskulären Krankheiten und Krebs untersuchte: doppelverblindet und placebokontrolliert. Die aktuelle Substudie fokussierte auf Statin-assoziierte Muskelsymptome. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Mehrheit der Patientinnen und Patienten eine Statintherapie aufgrund unerwünschter Wirkungen wieder sistiert, ist das eine Fragestellung mit hoher praktischer Relevanz.
Beobachtungsstudien haben vermuten lassen, dass eine Vitamin-D-Gabe das Auftreten von Muskelbeschwerden unter Statinen vermindert. Dies ist nicht der Fall, wie diese Studie mit über 2500 Teilnehmenden an einem repräsentativen Kollektiv (Durchschnittsalter 66,8 Jahre, 49% weiblich) im Verlauf über fast fünf Jahre zeigt: Statin-assoziierte Muskelsymptome traten bei 317 Studienteilnehmenden im Vitamin-D-Arm auf (31%), in der Placebogruppe bei 325 (31%). Auch die Abbruchrate war in beiden Gruppen mit 13% identisch. Der Vitamin-D-Spiegel – zum Beispiel ein vor Studienbeginn bestehender Mangel – hatte keinen Einfluss auf die Resultate.
Das hat uns nicht gefreut
Karies durch E-Zigaretten und Vapen?
E-Zigaretten, ursprünglich als Nikotinersatz und Entwöhnungshilfe eingesetzt, erfreuen sich durch das zusätzliche Verdampfen von feinen Aromen einer grossen Beliebtheit (sogenanntes «Vapen»). Zunehmend vapen auch Personen, die noch nie geraucht haben, und leider gehören auch Kinder und Jugendliche dazu. Allerdings häufen sich die Berichte der damit verbundenen Gesundheitsrisiken, sodass vor dessen Genuss nur abgeraten werden kann.
Vapen erfreut sich zunehmender Beliebtheit – leider auch bei Jugendlichen.
© Dzmitry Palubiatka / Dreamstime
Ein weiteres Risiko des Vapens scheint nun auch Karies zu sein: In den USA wurde während drei Jahren bei 13 216 Personen im Alter von 16–40 Jahren mit Kariesdiagnose festgehalten, ob sie – neben den klassischen Kariesrisiken (unzureichendes Zähneputzen, Naschen, Drogenkonsum) – E-Zigaretten benutzen oder vapen. 136 Personen bestätigten, 13 080 verneinten dies. Während E-Rauchende/Vapende in 79,1% der Fälle in eine hohe Kariesrisikogruppe gehörten, war dies bei den Nichtvapenden bei 59,6% der Fall (p <0,001).
Zweifellos bedarf diese Beobachtung noch Bestätigung durch weitere solide Studien, bevor diese Komplikation gegen das Vapen aufgeführt werden kann. Ausserdem beweist bekanntlich eine Assoziation die Kausalität noch nicht.
Verfasst am 8.1.2023_MK.
Verfasst am 5.1.23_HU.