Kurz und bündig
Journal Club Fokus auf … Auch noch aufgefallen

Kurz und bündig

Aktuelles aus der Wissenschaft
Ausgabe
2023/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09359
Swiss Med Forum. 2023;23(05):869-870

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 01.02.2023

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Fokus auf …
Alkoholassoziierte Hepatitis
Alkohol verursacht ein breites Spektrum an Lebererkrankungen: von der Steatose über die Steatohepatitis und Leberfibrose bis zur Entwicklung einer Zirrhose.
Die alkoholassoziierte Hepatitis ist ein schweres, akutes Krankheitsbild bei Personen mit bereits bestehender alkoholischer Lebererkrankung und fortgesetztem Alkoholkonsum – interessanterweise ist unklar, ob die Menge an Alkohol und/oder das Trinkmuster pathogenetisch bedeutsam sind.
Die Prävalenz ist unbekannt, sie nimmt aber (seit der COVID-Pandemie?) zu – insbesondere bei jüngeren Erwachsenen und Frauen.
Die Diagnose wird klinisch und anhand von Laborparametern gestellt: Ikterus, fortgesetzter Alkoholkonsum, Bilirubin >50 µmol/l, AST/ALT >1,5 wurden als diagnostische Kriterien vorgeschlagen. Andere Lebererkrankungen (z.B. virale, autoimmune und ischämische Hepatitis, Morbus Wilson) müssen ausgeschlossen werden. Häufig wird eine Biopsie durchgeführt.
Verschiedene Scores sind zur Abschätzung der Mortalität – sie ist mit 20–50% deutlich erhöht! – und für das Ansprechen auf eine Steroidtherapie hilfreich.
Bei Erkrankten mit hohem MELD-(«Model For End-Stage Liver Disease»-)Score haben Glukokortikoide einen kurzfristigen Nutzen. Die Mortalität nach drei Monaten wird allerdings nicht beeinflusst. Ähnliches gilt für eine zusätzliche antioxidative Therapie mit N-Acetylcystein.
Der wichtigste Faktor für die Langzeitprognose ist die konsequente Alkoholabstinenz. Dies gelingt allerdings nur etwa der Hälfte der Betroffenen. Auch nach einer allfälligen Transplantation bleibt die Erfolgsrate diesbezüglich ernüchternd. Hier sind neue Konzepte gefragt mit holistischen und multidisziplinären Ansätzen.
N Engl J Med. 2023, doi.org/ 10.1056/NEJMra2207599. Verfasst am 9.1.23_HU.

Praxisrelevant

Nahrungssupplemente zur Lipidsenkung

Die hier vorgestellte Studie [1] spricht gegen eine wirksame Rolle von pflanzlichen Supplementen im Cholesterin-Management: Es wurden 200 Personen im Alter von 40–75 Jahren mit einem LDL-Cholesterinwert zwischen 1,8 und 4,9 µmol/l und einem hohen bis sehr hohen 10-Jahres-Risiko für ein künftiges kardiovaskuläres Ereignis randomisiert. Die parallelen Studienarme umfassten eine niedrigdosierte Statintherapie (Rosuvastatin 5 mg), ein Placebopräparat, Fischöl, Zimt, Knoblauch, Kurkuma (Gelbwurz), pflanzliche Sterine und Rotschimmelreis – jeweils einmal täglich über die Dauer von 28 Tagen.
Eine Therapie mit Rosuvastatin reduzierte die Werte für LDL-Cholesterin um 35%, das Total-Cholesterin um 23%, die Triglyzeride um 18%. Umgekehrt fand sich bei keinem der untersuchten Nahrungssupplemente eine signifikante Reduktion der Lipide oder Unterschiede gegenüber der Placebotherapie.
Natürlich: Es handelt sich um eine kleine, monozentrische Studie mit einer selektionierten Auswahl an diätetischen Supplementen, von denen im Übrigen nicht alle als natürliche Cholesterinsenker vermarktet werden. Je nach erwartetem Effekt waren die Gruppen vermutlich auch zu klein gewählt, um Unterschiede gegenüber dem Placebopräparat zu detektieren. Der Editoralist warnt deshalb davor, alle Nahrungssupplemente frühzeitig als unwirksam abzutun [2].
J Am Coll Cardiol. 2023, doi.org/10.1016/j.jacc.2022.10.013.
J Am Coll Cardiol. 2023, doi.org/10.1016/j.jacc.2022.11.004.
Verfasst am 8.1.23_HU.

Hydrochlorothiazid und Chlortalidon als Antihypertensiva gleichwertig

In der Behandlung der arteriellen Hypertonie gelten Thiaziddiuretika nach wie vor als äusserst wirksam. Dabei werden Hydrochlorothiazid (HCT), der Prototyp der Thiaziddiuretika, und Chlortalidon, ein Thiazidanalogum, am häufigsten verwendet. Bisher schien Chlortalidon gegenüber HCT einige Vorteile zu haben, da es in verschiedenen Studien besser abschnitt und eine längere Halbwertszeit aufweist. Ein direkter Vergleich aber existierte bisher nicht.
Mit einer grossen Patientenzahl (13 ​523 Patientinnen und Patienten mit Hypertonie, Alter >65 Jahre, >95% Männer) wurden die beiden Substanzen hinsichtlich folgenden Kombinationsendpunktes miteinander verglichen: Myokardinfarkt, Hirnschlag, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, instabile Angina pectoris und Tod. Der pragmatische Ansatz in dieser Studie war, dass alle Studienteilnehmenden anfänglich mit täglich 25 oder 50 mg HCT behandelt waren. Die Randomisierung erfolgte entweder a) weiter mit HCT oder b) – stattdessen – neu mit 12,5 oder 25 mg Chlorthalidon täglich. Nach durchschnittlich 2,4 Jahren fand sich kein Unterschied zwischen den zwei Diuretika, bei Chlorthalidon erreichten 10,4%, bei HCT 10% den Kombinationsendpunkt. Auch die Subgruppenanalyse zeigte bis auf Personen mit oder ohne Vorgeschichte eines ischämischen Ereignisses keine Unterschiede. Unter Chlortalidon waren Hypokaliämien signifikant häufiger (6,0 versus 4,4%, p<0,001).
Man kann wohl aufgrund dieser Daten heute die beiden Thiaziddiuretika in der Hypertonietherapie als gleichwertig ansehen. Im Gegensatz zu HCT (Esidrex®) ist Chlorthalidon (früher Hygroton®) als Einzelsubstanz in der Schweiz seit 2014 nicht mehr erhältlich. Beide Präparate sind in zahlreichen Kombinationspräparaten enthalten.
N Engl J Med. 2022, doi.org/10.1056/NEJMoa2212270.
Verfasst am 16.1.2023_MK.

Immer noch lesenswert

Das «Hoagland»-Zeichen

Robert J. Hoagland war ein US-amerikanischer Militärarzt. 1952 publizierte er im «American Journal of Medicine» einen mehrseitigen Monograph zur infektiösen Mononukleose [1]: Dieser enthielt sowohl eigene klinische Daten als auch ein ausführliches Review über die bereits publizierte Literatur. Schon damals war offensichtlich, dass es sich um eine hochansteckende Infektionskrankheit vorwiegend unter jungen Menschen handelt («kissing disease»), wenn auch die dafür ursächlichen Epstein-Barr-Viren noch nicht identifiziert waren. Klinisch fand sich bei den 56 von Hoagland eigens zusammengestellten Fällen – Offizierskadetten an der Akademie in West Point – Fieber und Lymphknotenschwellung bei allen, eine Pharyngotonsillitis bei >80%. Bei einem Drittel der Untersuchten (19 Fälle) beobachtete Hoagland auch eine Schwellung der oberen Augenlider: «Supra-ocular edema, present early in the course of illness, should be emphasized more as a helpful sign. It consists of a drooping of the swollen orbital position of the upper eyelid upon the palpebral portion, and sagging of the latter, which is also swollen, resulting in a narrower ocular aperture.»
Dieses nach ihm benannte Zeichen ist, wie bereits von Hoagland selber antizipiert, ein hilfreiches diagnostisches Merkmal: In einer kürzlich publizierten Arbeit aus der Schweiz hatten 14/26 an infektiöser Mononukleose Erkrankte eine Lidschwellung im Sinne eines Hoagland-Zeichens [2].
Verfasst am 8.1.23_HU.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Riesenzellarteriitis: Biopsie notwendig?

Die Biopsie der Temporalarterien gilt als Goldstandard der Diagnose einer Riesenzellarteriitis. Wegen der relativ tiefen Sensitivität (bis zu 70%) wird bei klinischem Verdacht trotz negativer Biopsie dennoch oft mit einer Kortikosteroidtherapie begonnen.
In dieser aus Kanada stammenden Arbeit wurde anhand von 13 Arbeiten untersucht, welchen Einfluss die Temporalarterienbiopsie auf die Therapie mit Kortikosteroiden hat. Analysiert wurden 1355 Patientinnen und Patienten (73% Frauen, mittleres Alter 70,5 Jahre), von denen 463 eine positive, 892 eine negative Biopsie aufwiesen. Die Informationen über Steroidvor- und -nachbehandlungen sowie Therapiestopps war nicht in allen Studien vorhanden, weshalb die Analysen sich auf unterschiedliche Zahlen bezogen.
Bei Personen ohne Vorbehandlung wurde nach positiver Biopsie eine Therapie signifikant häufiger als bei den Biopsie-negativen begonnen (p<0,001). Bei 3/4 der Studienteilnehmenden startete man bereits vor der Biopsie eine Steroidtherapie, bei Biopsie-positiven signifikant häufiger als bei Biopsie-negativen. Die vorzeitig begonnenen Steroide wurden nur in 47% der Fälle nach negativer Biopsie sistiert. Verglich man die Dauer der Steroidbehandlungen, so bestand zwischen der behandelten Gruppe mit positiver Biopsie und der behandelten Gruppe mit negativer Biopsie kein Unterschied. Die Autoren schliessen daraus, dass der Einfluss der Biopsie auf die Entscheidung einer Dauersteroidtherapie nur minimal ist. Sie erinnern dabei daran, dass der Eingriff auch gelegentlich Komplikationen mit sich bringt, die bisher nicht untersucht wurden.
Die Frage, ob eine Biopsie für die Dia-gnose einer Riesenzellarteriitis notwendig ist, ist uralt. Bei überzeugender Klinik und Labor kann wohl auf eine Biopsie verzichtet werden. Man vergesse dabei nicht, dass nicht invasive Methoden wie Doppler-Ultraschall, Magnetresonanztomographie und Positronen-Emmissions-Tomographie immer zuverlässiger die Entzündung der Arterien darstellen können.
Auch noch aufgefallen
Melanom weniger häufig bei regelmässiger Vitamin-D-Einnahme
Die Sonne fördert durch den Einfluss der UV-B-Strahlung die Produktion von Vitamin D in der Haut. Diese UV-B-Strahlung induziert unbestritten auch verschiedene maligne Hauttumoren, zu denen aktinische Keratosen, Spinaliome, Basaliome und Melanome gehören. Ob das kumulierende Vitamin D in der Haut mit der Karzinogenese verknüpft ist oder – im Gegenteil – ob es sogar vor Hautkrebs schützt, ist unklar.
Eine finnische Gruppe schloss in einer Suche nach Faktoren, die zu Hautkrebs prädisponieren, die orale Einnahme von Vitamin D in die Analyse ein. Die Studie erfolgte bei 498 erwachsenen Personen (Alter 21–79 Jahre, gleichviel Frauen wie Männer), die in irgendwelcher Art ein Risiko für Hautkrebs aufwiesen. Unter den Patientinnen und Patienten mit regelmässiger Einnahme von Vitamin D gab es signifikant weniger Personen mit vorgängigem oder aktuellem Melanom (18%) als unter denjenigen, die kein Vitamin D einnahmen (32%, p = 0,021). Auch wenn alle Hautkrebstypen zusammengefasst wurden, zeigte sich ein signifikanter Unterschied für eine Krebs verhindernde Assoziation des Vitamin D (62 versus 75%, p = 0,027). Der Vitamin-D-Spiegel, der im Blut gemessen wurde, spielte dabei keine Rolle.
Preventing Melanoma and Skin Cancer
Auf der Suche nach für Hautkrebs prädisponierenden Faktoren wurde auch Vitamin D mitberücksichtigt.
© Evgeniy Kalinovskiy / Dreamstime
Die Anlage der Studie und die kleine Patientenzahl genügen nicht, um Vitamin-D-Präparate gegen das Auftreten von Melanomen oder Hauttumoren zu propagieren. Insbesondere wäre mit einer grösseren Patientenzahl zu klären, ob die Einnahme von Vitamin D vor allem bei denjenigen erfolgte, die selten Sonnenstrahlung exponiert waren.
Melanoma Res. 2022, doi.org/10.1097/CMR.0000000000000870.Verfasst am 15.1.2023_MK.
Plast Reconstr Surg Glob Open. 2022, doi.org/10.1097/GOX.0000000000004185.
Verfasst am 14.1.2023_MK.